Unsere Esel

„Mein Name ist Colombo. Ich wohne seit dem 2014 hier am Pfänder mit meiner Freundin Lilly. Seit Mai 2020 sind wir stolze Eltern von Luise.

Unsere Vorfahren kommen eigentlich aus den Halbwüsten Afrikas und Asiens. Wir sind also exotische Einwanderer, die erst seit einigen hundert Jahren in Europa leben. Das ist nicht immer ganz leicht für uns, denn in den trockenen und kargen Geröllwüsten fressen wild lebende Esel bis zu 16 Stunden am Tag. Das ist praktisch, wenn man Gefahr läuft, gefressen zu werden. Der Magen ist immer nur leicht gefüllt und so ist man jederzeit bereit für einen Sprint. Das fette Gras hier schmeckt zwar unglaublich lecker, ist aber eigentlich viel zu nahrhaft für uns. Deshalb nehmen wir auch gerne etwas Getreidestroh und knabbern an Haselnusszweigen und Weidenästen. Schilf von mageren Riedwiesen knackt so herrlich beim Fressen. Und auch wenn es so gut schmecken würde – Brot tut uns gar nicht gut. Ihr würdet nicht glauben, was Wanderer uns manchmal anbieten: Wurstbrote, Schokolade, Butterkekse, … brrrrr.

Auch beim Trinken sind wir an die Wüste angepasst. Manchmal muss man lange warten, bis man auf die nächste Wasserstelle trifft. Und dann schlürfen wir auch mal eine ganze Menge auf einmal.

Trockene Kälte macht uns nichts, wir haben eine isolierende Luftschicht im Fell. Also im Winter bitte nicht beim Striegeln herausdrücken, das fühlt sich an wie eine kalte Dusche. Im Sommer haben wir es gerne, wenn man uns bürstet, besonders im Fellwechsel. Dann geht es viel schneller, bis wir das seidige Sommerfellchen haben, bei dem man auch unser weißes Mehlmaul und den weißen Bauch so schön sieht. Bei niedrigen Temperaturen im Regen brauchen wir einen Unterstand, sonst sind wir schnell durchnässt, frieren und können uns verkühlen. Hitze vertragen wir dagegen problemlos. Da kann man so schön in der Wiese dösen.

Manche halten uns für stur. Aber weit gefehlt. Wir Esel sind sehr besonnen. Wir sind zwar Fluchttiere wie die Pferde – die als Steppenbewohner ruhig kopflos vor einer Gefahr davonrennen können – aber in einer Geröllwüste könnte das schnell lebensgefährlich werden, wenn man daneben tritt. Deshalb wägen wir lieber jede Situation genau ab, bevor wir uns entscheiden, was zu tun ist. Manchmal ist es auch sinnvoll, ganz mucksmäuschenstill zu sein, damit man nicht gesehen wird. Aber wenn weder wegrennen noch verstecken hilft, sind wir mutig, stellen uns der Gefahr und gehen, wenn’s sein muss, auch zum Angriff über. Deshalb können wir auch so gut Schafherden vor Wölfen beschützen.

Dieses intensive Nachdenken, ob nun eine Brücke zu rutschig ist oder man in einer spiegelnden Pfütze ertrinken könnte oder der Kanaldeckel lauernde Gefahren birgt, kann für unsere Menschen manchmal ganz schön herausfordernd sein. Aber sie haben verstanden, worum es geht, und so lernen wir einander immer mehr zu vertrauen.

Es gäbe noch so viel zu berichten: Etwa wofür wir unsere langen flauschigen Ohren haben, wie unser kuscheliges Fell duftet, was es bedeutet, dass Esel schnüren oder flehmen, wo sich unsere Kastanien befinden, wie wir uns pflegen, wie wir miteinander reden, wie wir gerne wohnen, wie wir schlafen, …

Vielleicht besuchen Sie uns einmal zu einem Eselfrühstück (keine Sorge, Sie müssen kein Heu essen) und machen anschließend einen kleinen Spaziergang mit uns. Das macht besonders Spaß mit einer fröhlichen Gruppe. Gerne zeigen wir Ihnen dabei, was Gelassenheit, Achtsamkeit und Entschleunigung für uns bedeuten.

Oder Sie schauen sich mit uns unter der alten Linde den Sonnenuntergang an und lauschen derweilen den wunderbaren Geschichten, die Dichter aller Zeiten uns gewidmet haben. Gerne laden wir dazu auch Musiker ein, die uns mit ihren Klängen erfreuen.

Sie können sich an einem lauen Tag aber auch zu uns auf den Sandplatz setzen und wir denken ein wenig über Gott und die Welt nach und was wirklich wichtig ist im Leben. Oder wir sind einfach ganz ruhig und atmen und lassen die Zeit stillstehen.

Ich tu’ mir mit meinen Hufen ein bisserl schwer einen Bleistift zu halten und ich lebe auch so ganz im Hier und Jetzt, aber meine Menschen haben so kuriose Dinge wie Terminkalender, die man wohl braucht für Verabredungen.

Sie sind morgens um 8.00 und abends um 16.15 meist hier am Eselstall. Man kann sie aber auch ganz magisch erreichen:

Dr. Alexandra Streubel – office@praxis-am-see.at

Colombo mit Lilly und Luise“