Dialog mit Respekt: Solidarität

Solidarität ist ein starkes Wort. Mehr denn je ist sie in vielen Lebensbereichen gefordert: In Zeiten der Pandemie, im Zuge des Ukrainekrieges, im Umgang mit der Zuwanderung, in Fragen der Demokratie, der sozialen Ungleichheit, von Klima- und Umweltschutz.

In Verruf geriet Solidarität, als jeder für sein Glück und seine Not selbst verantwortlich gemacht wurde. Die Gesellschaft ist heute tiefer denn je gespalten. Um das zu überwinden, brauchen wir ein neues Verständnis von Solidarität. Was, wenn Solidarität nicht dort aufhört, wo die schlimmste Not gelindert ist, wenn sie kein begrenzter, unliebsamer Kraftakt bleibt, sondern eine freie Entscheidung zur Mitmenschlichkeit wird, wenn wir uns selbst im anderen wiedererkennen?

Fragen für den Dialog

  • Was bedeutet für mich Solidarität?
  • Welche Licht- und Schattenseiten hat Solidarität?
  • Wie könnte Solidarität von einem Kraftakt zu einem Faktor des Wohlbefindens werden?

Literatur zum Einlesen

Bude, Heinz. Solidarität: die Zukunft einer großen Idee. München, Carl Hanser Verlag, 2019. Hier gehts zur Leseprobe.

https://www.juraforum.de/lexikon/solidaritaet

https://www.liberties.eu/de/stories/solidaritaet/44290

Intelligenz? Dialogisch!

Wir Menschen sind wie kein anderes Lebewesen in der Lage Wissen und Erfahrungen zu sammeln, Zusammenhänge zu erkennen und eigenen Vorstellungen davon zu entwickeln, wer wir sind und wie wir leben wollen. Diese typisch menschliche Intelligenz verdanken wir unserem komplexen, hoch entwickelten Gehirn – so die landläufige Meinung.

So messen wir den Intelligenzquotienten, um mehr oder weniger intelligente Menschen unterscheiden zu können und vermuteten lange, dies sei wohl genetisch bedingt. Die Hirnforschung der letzten Jahrzehnte hat inzwischen jedoch vieles infrage gestellt, was wir bisher über unser Denken und Handeln, über unser Zusammenleben gedacht hatten.

Denn genetisch gesehen verfügen wir über unser Gehirn nur das Potenzial zu Intelligenz. Ob und in welchem Ausmaß wir es entfalten, hängt von den Erfahrungen ab, die wir im Laufe des Lebens machen. Dadurch steigt die Bedeutung sozialer Beziehungen, in denen wir die Lernerfahrungen machen, die unser Gehirn so strukturiert, dass wir möglichst gut durchs Leben kommen.

Damit ist Intelligenz aber keine individuelle Fähigkeit, sondern das Ergebnis, das im Austausch von Wissen und Erfahrung mit anderen Menschen entsteht. Wir brauchen diesen Austausch, um nicht kollektiv zu verblöden. Dieser Austausch funktioniert jedoch nicht, wenn sich einer für klüger hält und den anderen vorschreiben will, wie sie zu denken und zu handeln haben.

Wie kann es gelingen, diesen Austausch auf Augenhöhe in einer Welt, die noch von Vorstellungen über unser Denken, Fühlen und Handeln des vorigen Jahrhunderts geprägt ist, zu kultivieren?

Das kann nur dort sein, wo Menschen miteinander in den Dialog treten, wo sie ihre unterschiedlichen Erfahrungen, Vorstellungen und Überzeugungen austauschen, wo neue Sichtweisen entstehen, Konflikte konstruktiv gelöst werden und nachhaltige Lösungen für Probleme gefunden werden.

Dort, wo man ausbricht aus dem Käfig des Gedachten und eintritt in den Kosmos des gemeinsamen Denkens.

Literatur:

M., J., T. Hartkemeyer: Dialogische Intelligenz. Info3-Verlagsgesellschaft. Frankfurt, 2015.

Dialog mit Respekt: Zweifel

Gut oder böse, schwarz oder weiß, Freund oder Feind: So sehen viele Menschen die Welt. Dass die Dinge oft weniger eindeutig sind, halten sie nur schwer aus – und das macht sie anfällig für Populisten. Doch die Fähigkeit, Mehrdeutigkeit zu akzeptieren, ist auch eine der Kernkompetenzen des Dialogs, und sie lässt sich kultivieren.

Vor mehr als 70 Jahren entdeckte die Psychologin Else Frenkel-Brunswik das Persönlichkeitsmerkmal mit dem etwas sperrigem Namen „Ambiguitätstoleranz“ als die Fähigkeit, Mehrdeutiges zu ertragen. Durch dieses Wissen über Ambiguitätstoleranz lässt sich einiges im Zusammenleben erklären und besser machen, etwa die Herausforderungen, die sich uns stellen bei der Zuwanderung.

Populismus ist eine geniale Strategie, Ambiguität wegzubekommen. Leute, die Salvini oder Le Pen hinterherlaufen, würden heute nicht ihr Leben opfern, wie Anhänger von Hitler und Stalin das taten. Aber sie haben einfache Antworten, und damit etwas sehr Interessantes: Eine Antwort auf die Frage „Wie entkommt man als Bürger dem unangenehmen Gefühl des Zweifelns?“. Einerseits natürlich durch das Folgen einer Führerfigur. Ein anderer Ansatz wäre, gar niemandem mehr Vertrauen zu schenken, um das eigene Weltbild aufrechtzuerhalten. Alle sind korrupt. Alles ist manipuliert. Damit fallen alle Autoritäten weg – außer meiner eigenen, deren Beweggründe nun jedoch zu erforschen wären (wieder eine Kernkompetenz des Dialogs …).

Bei der Zuwanderung haben Populisten ein besonders leichtes Spiel mit Menschen, die Zweifel schwer ertragen können. Ein Feind ist eindeutig auf der anderen Seite, ein Freund auf der meinen. Das Fremde jedoch können wir nicht zuordnen, es trägt beides in sich. Wer das nicht aushalten kann, trifft schnell (Fehl-)Entscheidungen.

Aber würde die totale Mehrdeutigkeit ein besseres Zusammenleben ermöglichen? Die Gefahr von Chaos, Anarchie und Korruption wäre groß. Es muss also ein „rechtes Maß“ geben.

Fragen für den Dialog

  • Wann in meinem Leben habe ich gezweifelt?
  • Wie bin ich damit umgegangen?
  • Habe ich die Möglichkeiten in der Schwebe gehalten oder mich für eine Seite entschieden?
  • Was beeinflusst meine Entscheidungen?
  • Zweifle ich eher zu viel oder zu wenig?

Lektüre zum Einlesen

https://www.beobachter.ch/gesundheit/psychologie/zweifel-wie-uns-diese-gefuhle-furs-leben-helfen-256860

https://www.deutschlandfunkkultur.de/mangel-an-ambiguitaetstoleranz-der-fatale-wunsch-nach-100.html

Dialog mit Respekt: Zeiterleben

Wie wir über Zeit denken und sprechen, wirkt sich darauf aus, wie wir Zeit erleben. Haben wir Angst, dass sie vergeht? Sind wir gestresst, weil wir zu wenig davon haben? Sind wir gelassen, weil wir uns Zeit lassen und es die richtige Zeit für alles gibt? Hat sich unser Zeitverständnis und der Umgang mit ihr mit den Erfahrungen der letzten drei Jahre verändert?

Ein Dialog für mehr Gelassenheit statt Zeitsparen, Effizienz, Deadlines, To-do-Listen, Optimierungsplänen …

„Es gibt ein großes und doch ganz alltägliches Geheimnis. Alle Menschen haben daran teil, jeder kennt es, aber die wenigsten denken je darüber nach. Die meisten Leute nehmen es einfach so hin und wundern sich kein bisschen darüber. Dieses Geheimnis ist die Zeit. Es gibt Kalender und Uhren, um sie zu messen, aber das will wenig besagen, denn jeder weiß, dass einem eine einzige Stunde wie eine Ewigkeit vorkommen kann, mitunter kann sie aber auch wie ein Augenblick vergehen – je nachdem, was man in dieser Stunde erlebt. Denn Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen.“ (Momo, Michael Ende)

Fragen für den Dialog

  • Wann hast du das Gefühl, dass die Zeit fliegt?
  • Wann vergeht die Zeit ganz langsam für dich?
  • Was beeinflusst unser Zeitempfinden?

Literatur zum Einlesen

https://www.swr.de/wissen/1000-antworten/was-ist-zeit-104.html

https://www.deutschlandfunk.de/von-zeitgewinn-und-zeitverlust-100.html