Teil 1: Zugesagt – und dann doch nicht gekommen?
Warum wir absagen – und was dahintersteckt
1. Mai, 18 Uhr.
Ich sitze in der Alten Schule, an einer Tafel, die leer bleiben wird. Eigentlich hätte hier jetzt unser Wildkräuter-Potluck stattfinden sollen. Duftige Wildblumensträuße, köstliche Gerichte, Menschen im Austausch – das war der Plan.
Nach der Terminankündigung war die Begeisterung groß. Schnell füllten sich die Anmeldelisten. Doch nach und nach kamen die Absagen. Erst vereinzelt. Dann gehäuft. Manches kurzfristig, manches ganz ohne Nachricht. Und so sitze ich nun hier – mit Zeit, die eigentlich anders gedacht war. Und frage mich: Was ist passiert?
Dieser Text ist kein Vorwurf. Sondern ein Versuch, ehrlich und menschlich hinzuschauen:
Warum melden sich Menschen begeistert an – und sagen dann wieder ab?
Was steckt psychologisch dahinter?

Psychologische Hintergründe:
- Planungsoptimismus:
Wir überschätzen, was wir in Zukunft leisten können. In der Gegenwart klingt alles machbar. Wenn der Termin näher rückt, sieht es oft anders aus. - FOMO & spontane Alternativen:
Die „Fear of Missing Out“ lässt uns auf kurzfristige Angebote reagieren – auch wenn wir längst zugesagt haben. - Kostenlos = unverbindlich?
Was nichts kostet, wird leichter verworfen – selbst wenn der ideelle Wert groß wäre. - Bequemlichkeit und Energiehaushalt:
Wenn wir müde oder überreizt sind, kippt das „Ich geh hin“ schnell in ein „Ich bleib lieber daheim“. Unser Gehirn liebt kurzfristige Entlastung. - Kognitive Dissonanz und Rechtfertigung:
Um unser Selbstbild als verlässliche Person nicht zu gefährden, suchen wir unbewusst nach „guten Gründen“ für die Absage – selbst wenn sie dünn sind.
Fazit:
Wir sagen nicht ab, weil wir respektlos sind. Sondern, weil wir ganz menschlich reagieren. Doch wenn wir diese Muster erkennen, können wir bewusster mit ihnen umgehen.
Teil 2: Was Veranstalter tun können, um Verbindlichkeit zu fördern
Psychologisch kluge Maßnahmen – ohne Druck zu erzeugen
1. Mai, später am Abend.
Ich räume auf. Die Sonne geht gerade unter. Die Tische sind leer geblieben. Der letzte Schluck Wildkräuterlimonade schmeckt schal. Natürlich weiß ich: Niemand meint es böse. Und trotzdem fühlt es sich enttäuschend an.
Ich denke zurück an die vielen Stunden Vorbereitung. An die liebevoll formulierten Einladungen. An die echte Vorfreude. Und ich frage mich: Was können wir als Veranstalter tun – damit es in Zukunft besser klappt?

Fünf hilfreiche Ansätze:
- Verbindlichkeit durch kleine Investitionen stärken:
Ein symbolischer Beitrag (z. B. 2 oder 3 Euro Pfand) der zurück erstattet wird, ein Rückmeldeformular oder eine persönliche Bestätigungsmail können das innere Commitment fördern. - Frühe Beziehung aufbauen:
Eine Begrüßungsmail, ein kurzes Video, ein Blick hinter die Kulissen – je persönlicher die Einladung, desto weniger anonym die Absage. - Vorfreude aktivieren:
Ein kleiner Impuls vorab – z. B. ein Zitat, Foto oder eine Frage – holt die Motivation zurück ins Bewusstsein. - Absagen reflektieren lassen:
Anstelle eines simplen Storno-Links ein kurzer Text wie: „Wenn du absagst, gib uns bitte kurz Bescheid – vielleicht freut sich jemand auf der Warteliste.“ - Fairness kommunizieren:
Nicht als Moralappell, sondern ehrlich: „Deine Teilnahme trägt zum Gelingen bei. Danke, dass du uns früh informierst, wenn du verhindert bist.“
Fazit:
Verbindlichkeit entsteht nicht durch Druck – sondern durch Gestaltung. Wenn Menschen sich gesehen fühlen und ihre Entscheidung bewusst treffen, werden sie seltener abspringen.
Teil 3: Was Teilnehmer tun können – für mehr Bewusstsein und Fairness
2. Mai, morgens.
Ich trinke Kaffee auf der Terrasse. Die Luft ist mild. Der Gedanke an gestern klingt nach – aber ruhiger. Ich denke nicht nur als Veranstalterin – sondern auch als Teilnehmerin. Auch ich habe schon gezögert, abgesagt, mich überfordert gefühlt. Es geht nicht um Perfektion. Sondern um Bewusstsein.
Was kann ich selbst tun, um fairer mit Zusagen umzugehen?
- Anmeldung bewusst treffen:
Nicht impulsiv, sondern mit innerem Check: Will ich das wirklich? Habe ich dafür Zeit, Energie und Lust? - Den Termin fest eintragen:
Ein Kalendereintrag mit Erinnerung verankert den Entschluss und schützt vor spontanen Absagen. - Vorfreude wachhalten:
Ein kurzer Notizzettel, ein Screenshot oder das Gespräch mit einer Freundin kann helfen, sich zu erinnern: „Darauf freu ich mich!“ - Trägheit hinterfragen:
Müdigkeit oder Bequemlichkeit sind real – aber selten gute Ratgeber. Die Erfahrung zeigt: Wer hingeht, ist meist froh darüber. - Fair und früh absagen:
Wenn es nicht anders geht – bitte nicht schweigen. Eine kurze Info, vielleicht mit einem Nachrückvorschlag, zeigt Respekt. - Sich als Teil des Ganzen sehen:
Deine Anwesenheit zählt – für die Gruppe, die Stimmung, das Gelingen. Du bist nicht nur „ein Platz“, du bist ein Teil des Erlebens.
Fazit:
Verbindlichkeit ist keine Last, sondern eine Form von Wertschätzung – für andere und für uns selbst. Sie schafft Begegnung, Vertrauen und echte Erfahrung.