Wir schreiben Geschichte #2: Mathilde Halla

Mathilde Halla ist seit Jahrzehnten im friedlichen Widerstand aktiv. Als junge Mutter trat sie in den 70er Jahren gegen AKWs in und um Österreich auf, heute protestiert sie mit fast 80 Jahren gegen die Coronamaßnahmen und für eine friedliche Konfliktlösung in der Ukraine. Wer sie persönlich kennenlernen möchte, hat dazu regelmäßig die Gelegenheit an ihrem Infotisch in der Linzer Fußgängerzone oder bei Vorträgen zu brisanten aktuellen Themen, die sie organisiert.
  1. Liebe Mathilde, wann hast du zum ersten Mal bemerkt, dass da etwas auf uns zukommt, das uns alle betrifft?

Das war im Jänner 2020 als man von den Berichten in China gehört hat und dass es da so viele Fälle in Italien gibt und in Deutschland, die Chinesen, die dort sind. Aber ich hab dann nur noch gedacht, na ja, es wird halt wieder irgendetwas durchziehen, aber es wird uns ja nicht unbedingt betreffen.

  1. Was war für dich in dieser Zeit am schlimmsten?

Für mich war am schlimmsten der Umgang mit den Kindern und der Umgang mit den alten Menschen. Wir selber – mein Mann und ich, wir sind beide um die achtzig, wir haben uns in unserem ganzen Leben noch nie in unserer Freiheit so beschränkt gefühlt, so, so nicht mehr frei handlungsfähig irgendwie. Und dieses Angstgefühl der Menschen vor Corona. Und dieses Angstgefühl der Kinder, die auf einmal nicht mehr wussten, ob sie jetzt zum Fußball gehen können oder nicht, das war schlimm, ja.

  1. Gibt es auch etwas, von dem du im Nachhinein sagen würdest, da ist etwas Gutes passiert, das ohne diese Krise nicht möglich gewesen wäre?

Na ja schon – das Aufwachen der Menschen, nicht aller Menschen, aber vieler Menschen. Wie manipulierbar die Menschheit ist, also wie man aufpassen muss, dass das was einem gesagt wird, dass das überhaupt nicht stimmen muss und ich war, muss ich dazu sagen immer schon ein sehr kritischer Mensch, aber dass das so ein Ausmaß annehmen kann war mir auch neu und man hat auch das Kennenlernen seiner Mitmenschen gehabt, ich habe Menschen kennengelernt, die mich in diesem Zusammenhang sehr enttäuscht haben, aber ich habe auch Menschen kennengelernt, die unwahrscheinlich mutig und unwahrscheinlich nachdenklich und auch bereit waren dann etwas zu tun. Das hat mich bei manchen sehr fasziniert.

  1. Was war für dich besonders hilfreich, um gut durch die Krise zu kommen?

Also an erster Stelle mein Mann, weil wir haben uns beide ganz am Beginn einmal in unser Zweithaus zurückgezogen, weil unsere Familie hat gesagt – wir wohnen hier mit unserer jungen Familie also ein Stockwerk getrennt – und die haben ja alle am Beginn so Angst gehabt. Ihr müsst weg hieß es und es war dann sehr einsam dort, aber ich habe meinen Mann an der Seite gehabt und wir haben miteinander reden können. Und dann halt die Interviews, die wir geschickt bekommen haben, die Social Media, die mich vorher nie interessiert haben. Ich hab mir das alles angeschaut – und ich bin auch keine Fernsehschauerin, aber da sind auf einmal dann Informationen gekommen, die waren, die waren großartig hilfreich. Da habe ich dann sehen können, dass es Ärzte gibt, Ärzte, die doch sehr kritisch denken.

  1. Stell dir vor, mitten in dieser schwierigen Zeit wäre eine gute Fee dagewesen, die dir einen Herzenswunsch erfüllt hätte. Was hättest du dir gewünscht?

Ich habe mir manchmal gewünscht, dass das alles nur ein Traum ist, dass ich aufwache und die Menschen wieder ganz offen umgehen miteinander, wieder reden, dass die Menschen wieder freundlich zueinander sind, das hätte ich mir gewünscht. Ein Zurückdrehen der Zeit und jetzt denke ich manchmal, es musste eine Veränderung kommen, wir sind durch eine harte Zeit durchgegangen, aber wahrscheinlich ist das wichtig, um wieder zu neuen Erkenntnissen zu kommen.

  1. Gab es etwas, das dich wütend gemacht hat?

Sehr, sehr! Also wenn ich diese Social Media-Informationen bekommen habe und dann ist genau das Gegenteil in den Mainstream Medien gekommen, total falsch berichtet.

Vor allem, ich habe zwölf Enkelkinder, aber wie man diese Kinder in etwas hineingezwungen hat, dann letzten Endes einige bis zur Impfung, also das, das hat mich wahnsinnig getroffen, ich hab auch alte Freunde gehabt, einen guten Freund, der die Impfung bekommen hat und der dann gestorben ist – sehr schnell danach.

  1. Gab es etwas, von dem du sagen würdest, das war eine Schande oder dafür muss man sich schämen?

Ja schon. Zum Beispiel, dass wir in Österreich eigentlich ein Land der Dichter und Denker, dass wir einfach das alles mittragen und dann noch mit der Impfpflicht vorausgehen, eines der Länder, dass das am rigorosesten betrieben hat, wo ich eigentlich schon auch stolz auf Österreich war, das hab ich überhaupt nicht mehr verstanden.

  1. Viele Leute berichten, dass es für sie auch eine Zeit voller Angst gewesen ist. Wie war das bei dir? Und wie bist du damit umgegangen?

Meine Ängste waren eigentlich die Ängste um die Demokratie. Also Angst vor dem Coronavirus habe ich überhaupt keine gehabt. Ich habe mir schon gedacht, na ja da ist sicher ein Virus, der stark gemacht worden ist, das hat man ja auch immer wieder gehört, aber ich wusste, ich habe gutes Immunsystem und ich habe beobachtet, dass die Menschen eben nicht so wie es geheißen hat, reihenweise dran sterben. Ich habe auch keine Angst vor dem Tod, ich bin schon alt, das hab ich nicht. Aber ich hatte Angst gehabt, wie das mit der Demokratie weitergehen kann. Wir sind zu Demonstrationen gegangen und man hat auch diese schon als Polarisierung erlebt und ich habe mir gedacht, wenn die Menschen jetzt nicht Widerstand leisten, das einfach alles so nehmen, dann ist unsere Demokratie und unser unsere Freiheit sehr bald verloren. Ich bin ein Nachkriegskind, das eigentlich noch im Krieg geboren wurde und ich habe diese Unfreiheit und auch diese Ängste, die die Menschen hatten, das hab ich noch im Kopf gehabt. Nur das nicht, wir können doch nicht auf einmal ein unfreies Land und unfreie Menschen werden. Das waren meine Hauptängste.

  1. Gibt es Personen, mit denen du dich entzweit hast? Wie bist du damit umgegangen?

Wir hatten in der Familie direkt Probleme, weil ich habe einen Adoptivsohn, der ist Arzt, ein kritischer Arzt und zwei meiner Kinder wieder waren voll überzeugt, dass es schrecklich ist, wenn wir uns nicht impfen lassen und wenn wir das alles sagen und da hat es einen Zeitraum voller Diskussionen gegeben, aber wir hatten Erfolg und wir haben es geschafft. Wir haben für eine Zeit lang dann die Themen komplett weglassen und dann habe ich die Genehmigung bekommen, auch meinen zwei Kindern wissenschaftliche Informationen zu schicken. Die haben ja gedacht „Um Gottes willen, jetzt sind unsere Eltern auf einmal auf der rechten Seite.“ Aber das waren wir nicht. Am Anfang, als ich ihnen das geschickt hab, haben sie noch gesagt, schau aus welchem Eck das kommt, aber mit der Zeit haben sie schon verstanden. Aber es gibt Freunde, mit denen wir jetzt keinen Kontakt mehr haben. Wir sind jetzt nicht verfeindet, aber wir wissen nicht mehr, wir haben nichts Gemeinsames mehr.

  1. Gibt es Personen, die du während der Krise aufgrund ihres Verhaltens bewundert hast oder die sich deine Achtung verdient haben?

Ja viele, viele! Die Menschen, also wenn ich nur an diese denke, die im Vordergrund gestanden sind: ein Clemens Arvay, für mich so schrecklich traurig, dass es ihn nicht mehr gibt, Bhakdi – ein feiner Mann, es hat ihn ja sehr hergenommen, aber er hat es gut und mit Kraft tragen können, aber manchen hat das wirklich Angst gemacht und sie waren sehr sensibel und man hat gemerkt, sie haben sicher unter diesen Umständen gelitten und da ist eine Guerot, die weiter gesprochen hat, obwohl sie schon so viel Gegenwind bekommen hat und natürlich auch die viele Leute, die ich bei den Demonstrationen getroffen habe, die gesagt haben, das hab ich in meinem Leben noch nie gemacht.

Ich bin ja auf der Straße gesessen als junger Mensch, für mich war demonstrieren nicht sowas Großes, natürlich hab ich mir gedacht, ich muss es nicht mehr machen, aber diese Menschen, die das dann zum ersten Mal gemacht haben, die hab ich bewundert.

  1. Inwiefern hat dich diese Krise geprägt? Gab es Talente oder Fähigkeiten, die du hervorholen oder entwickeln musstest?

Ja also schon. Ich war ja grün, das kann ich ganz offen sagen und auf einmal … Also den Umgang mit Rechten, zum Beispiel wie die ganz offensichtlich …, da musste ich eine gewisse Toleranz in die Richtung lernen und natürlich auch solche Dinge, wie man jetzt Flugblätter gestaltet und wie man Werbung macht. Für uns war das damals ein bisschen anders, das liegt ja doch schon 20, 30 Jahre zurück. Am Anfang wurden wir schon ein bisschen gefördert und wie man jetzt eigentlich mit ganz wenig Mitteln schauen musste, dass man möglichst wirkungsvoll arbeitet und wie man dann immer was Neues wieder dazu lernt, das war schon, da habe ich schon dazu lernen müssen und vor allem, weil ich ja schon alt bin und manche Dinge nicht mehr so geschickt machen kann.

  1. Stell dir vor, eines Tages hättest du die Gelegenheit, einer Schulklasse, die zu dieser Zeit noch nicht auf der Welt war, von deinen Erlebnissen zu erzählen. Gibt es so etwas wie eine Lehre oder einen Tipp, den du den Kindern mitgeben könntest?

Ja, da würde ich würde sagen, glaubt nicht alles, schaut bitte, prüft alles mehrfach von allen Seiten, lasst euch nichts einreden, nur weil es alle sagen, auch wenn eine gewisse Mehrheit denkt, da muss ja doch was dran sein. Denkt ganz für euch alleine und setzt eure Kräfte rechtzeitig ein, sonst kann es mal sein, dass es zu spät ist und niemand mehr auf euch hört.

  1. Wenn du einen Blick in die Zukunft tun könntest, was denkst du aus heutiger Sicht, wie könnte unsere Welt in einigen Jahren aussehen?

Wenn ich positiv denke und das möchte ich eigentlich, dass dann die Menschen aus dem gelernt haben, dass man erstens einmal sehr einfach leben kann, weil manche Dinge konnte man einfach nicht mehr machen, dass viele Dinge nicht wesentlich sind, dass der Zusammenhalt ganz wichtig ist und ein Aufbau wo die einzelnen Menschen und Länder auch ihre Selbstständigkeit lernen und nicht ein Zurück in eine Gesellschaft, wie es war, diese klein klein Länder, so solls nicht sein, sondern ein offenes Miteinander aber trotzdem ein Bewusstsein, dass man die Dinge nicht in großen Kreisen lösen kann.