Wir schreiben Geschichte #55: H.

H. ist Psychotherapeut, Praxis und Wohnort Salzburg, Mitte 50, verheiratet, 2 Erwachsene Kinder, immer links-grün gewesen, aber inzwischen vom dort sichtbar gewordenen Totalitarismus abgestoßen. Das waren heftige Jahre...

1. Wann haben Sie zum ersten Mal bemerkt, dass da etwas auf uns zukommt, das uns alle betrifft?

Das kann ich so nicht beantworten. Zuerst, im Februar 2020, war das irgendwie diffus, da waren die Berichte zuerst aus China und dann aus Italien. Ich war mit meiner Frau Ende Februar – wir haben unseren Hochzeitstag im Februar – zum Anlass des Hochzeitstags uns einen schönen Tag machen, zuerst in der Sauna und dann in einem Restaurant. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht der Meinung, dass das in Italien Österreich auch betreffen wird – es war nur ein bisschen irritierend. Dann kam der März und der erste Lockdown. Ich muss dazu sagen, ich habe eine Vorerkrankung der Lunge; zu dem Zeitpunkt war ich nervös. Ich bin Psychotherapeut – ich habe meine Praxis zugemacht, in der Anstellung, die ich damals noch hatte – auch dort habe ich als Psychotherapeut gearbeitet – wurde sofort auf Telepsychotherapie bzw. online umgestellt. Aus heutiger Sicht wahnsinnig, wie schnell man die Leute im Stich gelassen hat (während dieser Zeit so bis Mai – Juni 2020, wenn ich mich richtig erinnere, hatten manche Klient:innen dann einfach keine Psychotherapie mehr, wenn sie nicht bereit waren das online zu machen). Dann habe ich mich mit dem Thema intensiver beschäftigt, eben wegen meiner Vorerkrankung und mir war dann spätestens im Juni 2020 klar, dass die Sache nicht so gefährlich ist. Habe dann dauernd auf die Entwarnung der Politik gewartet, die nie gekommen ist und es ist immer heftiger geworden. Ich konnte nicht mehr gut mit meiner Frau reden, wenn ich ihr sagen wollte, es ist nicht so schlimm, oder: Man sollte die Schulen nicht zumachen, kamen emotionale Reaktionen: Willst du, dass Leute sterben, so auf die Art. Ich habe dann immer mehr gelesen und alternative Medien entdeckt, aber viel mit mir selber ausgemacht. Hatte Gott sei Dank einige wenige Freunde, die ähnlich gedacht haben wie ich, die Mehrzahl war aber verängstigt. Ich hatte dann schon zuvor Infos, wie das Impfpass-Thema kam – hat es mich nicht mehr überrascht. Aber ich habe mich sehr hilflos gefühlt, weil ich meine Sorgen mit niemandem teilen konnte. Zum Schluss als letzter der Familie ungeimpft, miserable Stimmung allerorten, sich nicht trauen, seine Meinung offen zu sagen und hoffend, dass die damalige im Raum stehende Impfpflicht nicht kommt. Habe entsprechende Stellungnahmen im Parlamentsverfahren abgegeben, wie so viele andere, aber das z.B. meiner Frau gar nicht mehr gesagt. Am Ende habe ich mich auch dazu breitschlagen lassen, mich 2x impfen zu lassen, es ist Gott sei Dank nichts passiert, aber es war ein Fehler. Was ich sagen wollte: Es war so ein langsamer Prozess, des immer schlimmer Werdens, ich kann im Nachhinein nicht mehr sagen, wie es angefangen hat – ich weiß nicht, wann ich gemerkt habe, dass da etwas Großes auf uns zukommt. Im März 2020 sicher noch nicht.

2. Was war für Sie in dieser Zeit am schlimmsten?

Dass sehr enge Freunde meine Sichtweisen nicht mehr verstehen konnten. Und noch schlimmer: Sich in der Öffentlichkeit nicht trauen, seine Meinung zu sagen. Ich habe hier viele kleine Erinnerungen. Z.B. ich gehe in meine Buchhandlung, in der ich die Mitarbeiter:innen von früher kenne (ich bin gelernter Buchhändler und habe später Psychologie studiert) und eine frühere Kollegin sagt: Jetzt sind wir nur wegen der blöden Ungeimpften und Verschwörungstheoretiker wieder im Lockdown. Zu dem Zeitpunkt war ich noch ungeimpft und hätte eigentlich was sagen müssen. Aber ich wusste auch schon lange: Das bringt nichts – und das war sehr schmerzlich und ich habe mich in solchen Momenten immer sehr alleine gefühlt.

3. Gibt es auch etwas, von dem Sie im Nachhinein sagen würden, da ist etwas Gutes passiert, das ohne diese Krise nicht möglich gewesen wäre?

Ich sehe jetzt die Politik und die Medien viel kritischer. Mir war auch vorher bewusst, dass es Einseitigkeiten gibt. Alle jammern über die schlimmen Wahlergebnisse in letzter Zeit. Ich sehe das eher als Zeichen, dass so etwas wie die letzten Jahre das nächste Mal nicht ohne Widerstand von einem signifikanten Teil der Bevölkerung möglich wäre. Ich war zwar nur einmal demonstrieren (das hatte viel mit den Schwierigkeiten zu tun, die ich mit meinem sozialen Umfeld eh schon hatte, und die dann noch größer geworden wären) – aber auch diese großen Demonstrationen gegen die Maßnahmen, vor allem nach der Impfpflicht-Einführung fand ich hoffnungsvoll. Auch das Zusammenhalten, das von meinem Gefühl beim ersten Lockdown da war (so unnötig auch der wohl schon war, wenn man sich mit der Evidenz beschäftigt), war positiv – aber das ist dann irgendwie sehr gekippt mit der Zeit. Also, dass so etwas wie eine kritische Masse in der Bevölkerung entstanden ist, das halte ich absolut für etwas sehr, sehr Positives. Nebenbei bemerkt, hat mich das alles von der Partei, die ich jahrelang gewählt habe, nämlich den Grünen, sehr entfremdet: Wenn ich mir einbilde, ich vertrete die guten, demokratischen Werte – im Gegensatz zur bösen FPÖ – und in der ersten Krise der 2. Republik entwickele ich – und sei es aus Angst – totalitäre Züge und merke gar nicht, wie ich die Demokratie beschädige – vor dieser Art von Totalitarismus, der sein faschistoides Gesicht im Spiegel gar nicht sehen kann – davor habe ich inzwischen viel mehr Angst wie vor der FPÖ (obwohl ich diese weiterhin nicht für wählbar halte, weil rechts und tendenziell fremdenfeindlich).

4. Was war für Sie besonders hilfreich, um gut durch die Krise zu kommen?

Doch den einen oder anderen Freund, früheren Arbeitskollegen etc. zu finden, der demonstrieren war, sich engagiert hat oder zumindest ähnliche Meinungen hatte. Und dass meine Familie trotz allem meine andere Meinung so weit nicht verstanden, aber dann doch akzeptiert hat (ich erinnere mich z.B. an eine Familienfeier, wo ich der einzige Ungeimpfte war und das musste man halt damals im Gasthaus offenlegen – das wurde zwar nicht verstanden, aber einfach zur Kenntnis genommen und war kein Thema). Und, dass ich mir meine eigene Meinung gebildet habe und einfach wusste, dass die Maßnahmen übertrieben waren und die Impfung nicht sicher usw. Ich täte mir heute viel schwerer, wenn ich im Nachhinein herausfinden müsste, mich geirrt zu haben.

5.  Stellen Sie sich vor, mitten in dieser schwierigen Zeit wäre eine gute Fee dagewesen, die Ihnen einen Herzenswunsch erfüllt hätte. Was hätten Sie sich gewünscht?

Einfach, dass dieser Alptraum aufhört.

6. Gab es etwas, das Sie wütend gemacht hat?

Sehr viel. Diffamierende Medienberichte über einzelne Wissenschaftler. Ständige Falschmeldungen (in den etablierten Medien, wie dem ORF). Nicht oder kaum-Berichterstattung bei wichtigsten Themen wie die Impfpflicht – aktuell erleben wir doch schon wieder dasselbe mit der Nicht-Berichterstattung über WHO-Pandemievertrag und Gesundheitsvorschriften und ich merke gerade beim Schreiben: Das werde ich schon wieder zornig. Das Schlecht-Machen am Anfang des schwedischen Wegs. Das Schweigen über die aktuelle Übersterblichkeit (die mir vorliegende Evidenz lässt sich fast nur so deuten, dass das mit der Impfkampagne zu tun hat), dieser Versöhnungsprozess der österreichischen Regierung, der völlig verquer ist, weil man das erst noch zu Beweisende (dass die Maßnahmen sinnvoll waren) voraussetzt. Dass jemand wie ich, mit einer begründeten anderen Meinung angeblich ein Nazi ist, obwohl ich immer ein Linker war. Es hat mich so viel wütend gemacht. Und vor allem: Wenn ich darüber nachdenke, macht mich jetzt immer noch alles Mögliche wütend und es gibt auch neue Dinge zum wütend werden, weil nichts, aber auch schon gar nichts aufgearbeitet wird!

7. Gab es etwas, von dem Sie sagen würden, das war eine Schande oder dafür muss man sich schämen?

Ja, haufenweise. Die Diffamierung kritischer Wissenschaftler, die Diffamierung von Leuten, die aus guten Gründen sich nicht impfen lassen wollten, dieser „Lockdown für Ungeimpfte“, das Impfpflichtgesetz, diese „grünen Pässe“.

8. Viele Leute berichten, dass es für sie auch eine Zeit voller Angst gewesen ist. Wie war das bei Ihnen? Und wie sind sie damit umgegangen?

Das habe ich schon beantwortet – ich habe viele Ängste mit mir selber ausmachen müssen und habe aber versucht, mir wichtigen anderen Personen mich mitzuteilen und hatte auch ein paar, mit denen ich das teilen konnte (aber zu wenig). Und es waren Ängste, wie sich die Gesellschaft verändert und totalitär wird. Vor dem Virus hatte ich nur anfangs Angst – aber Sommer 2020 nicht mehr. Es war wie eine Art Alptraum. Was ich auch gemacht habe: Ich habe dann zu lange und zu viel mich damit beschäftigt, weil ich dachte, das hilft.

9. Gibt es Personen, mit denen Sie sich entzweit haben? Wie sind Sie damit umgegangen?

Entzweit ist übertrieben. Alle Beziehungen, Freundschaften sind noch intakt. Aber ich merke natürlich: Man kann nicht mehr, wie früher, über alles reden und das ist schon schmerzlich. Ich will aber nicht von meiner Seite Freundschaften aufkündigen. Mit den ‚Lücken‘, wo man merkt, darüber kann man nicht reden, da habe ich keinen Umgang. Außer: Ich rede halt nicht darüber und das macht aber leider war mit diesen Freundschaften. Es wird weniger eng. Mit meiner Frau wird es langsam wieder besser.

10. Gibt es Personen, die Sie während der Krise aufgrund ihres Verhaltens bewundert haben oder die sich Ihre Achtung verdient haben?

Ja, ein früherer Arbeitskollege von mir, der ziemlich sofort zu Beginn der Pandemie seinen Job als Arzt verloren hat, weil er sehr deutlich seine Meinung gesagt hat und der dann immer wieder – und mit einem gewissen Humor verbunden – kleinere Demonstrationen organisiert hat. Ich hatte lange keinen Kontakt mehr mit ihm, nachdem sich unsere beruflichen Wege getrennt hatten und habe in der Krise wieder Kontakt gefunden. Ich fand ihn mutig, er hat aber auch meine vorsichtigere, feigere Art, mit den Dingen umzugehen, soweit akzeptiert. Und die zwei Kolleginnen in meiner Buchhandlung, die ich ebenfalls von früher kannte, bei denen ich erst vor kurzem rausgefunden hatte, dass die auch maßnahmenkritisch waren und beide bis heute nicht C-19 geimpft sind. Eine Kollegin, die dort, wo ich auch als Psychotherapeut noch angestellt war, gekündigt hat als der Impfdruck zu groß war – die blieb konsequent (das musste ich nicht, weil ich schon weg war dort, bevor es ganz schlimm wurde). Mein bester Freund, der das nie verstanden hat, aber es trotzdem akzeptiert hat, dass ich hier ganz anders denke.

11. Inwiefern hat Sie diese Krise geprägt? Gab es Talente oder Fähigkeiten, die Sie hervorholen oder entwickeln mussten?

Mir meine eigene Meinung bilden und mich davon nicht abbringen lassen – wie wichtig das ist, habe ich nochmal gelernt. Ansonsten hat diese Krise vor allem sehr viel Vertrauen, dass ich doch in die Demokratie und die staatlichen Organe hatte, zerstört. Das hat mich geprägt – da lässt sich allerdings schwer, was Positives dran finden (außer vielleicht: Dass man nie mehr zu leichtgläubig sein soll.)

12. Stellen Sie sich vor, eines Tages hätten Sie die Gelegenheit, einer Schulklasse, die zu dieser Zeit noch nicht auf der Welt war, von Ihren Erlebnissen zu erzählen. Gibt es so etwas wie eine Lehre oder einen Tipp, den Sie den Kindern mitgeben könnten?

Glaub an deine eigene Wahrnehmung, sei tolerant gegenüber anderen Meinungen, aber lasse dich nicht durch Druck von deiner Wahrnehmung abbringen. Sei der, der beim Ash-Experiment sagt, was er sieht. Die Minderheit, die das schafft (es war leider bei diesem klassischen sozialpsychologischen Experiment nur eine Minderheit) bei diesem Experiment, ist die Minderheit, die sicherstellt, dass die Demokratie nicht untergeht.

13. Wenn Sie einen Blick in die Zukunft tun könnten, was denken Sie aus heutiger Sicht, wie könnte unsere Welt in einigen Jahren aussehen?

Entweder völlig durchüberwacht ohne Freiheiten (das wäre, wenn die Tendenzen, die mit Corona sichtbar wurden, so weitergeführt werden, und dafür gibt es leider genügend Indizien) oder, was ich hoffe: wirklich demokratisch. Leute, die sich miteinander solidarisieren und in einer demokratischen Welt friedlich miteinander leben. Ich weiß nicht, welche Seite sich durchsetzen wird – aber ich glaube, wir leben gerade in sehr spannenden Zeiten, was das betrifft.

14. Möchten Sie noch etwas erzählen, nach dem nicht gefragt wurde?

Nein