Konflikte: Von Chancen und Gefahren

Konflikte sind nicht grundsätzlich schlecht. Interessensgegensätze können Ausgangspunkt für einen konstruktiven sozialen Wandel sein, und viele demokratische Errungenschaften wurden auf diesem Wege erreicht.

Worin liegt der Sinn von Konflikten?

Identifikation von Problemen:

Sie können auf bestehende Probleme, Unstimmigkeiten oder Missstände hinweisen und als Indikator dienen, dass etwas nicht richtig läuft oder dass Veränderungen erforderlich sind.

Förderung des Wachstums und der Entwicklung:

Konflikte können als Katalysator für Veränderungen und Innovationen dienen. Durch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen und Ideen werden neue Lösungen und Perspektiven entwickelt.

Verbesserung der Kommunikation:

Wenn Menschen ihre Gedanken, Bedürfnisse und Standpunkte klarer artikulieren, kann das zu einer verbesserten Kommunikation und einem tieferen Verständnis zwischen den Parteien führen.

Stärkung von Beziehungen:

Beziehungen werden vertieft und gestärkt. Die beteiligten Parteien können eine gemeinsame Basis finden, Kompromisse eingehen und das Vertrauen zueinander aufbauen.

Selbstreflexion und persönliches Wachstum:

Hinterfragen Menschen ihre eigenen Überzeugungen, Werte und Verhaltensweisen, fördert das die persönliche Weiterentwicklung und ermöglicht ein tieferes Verständnis der eigenen Perspektive.

Stärkung von Gruppen oder Gemeinschaften:

Gruppen oder Gemeinschaften solidarisieren sich und setzen sich miteinander für eine gemeinsame Sache oder Lösung ein.

Der Sinn von Konflikten besteht nicht darin, ständige Konfrontationen oder Gewalt zu fördern. Vielmehr geht es darum, sie als Gelegenheit zur Verbesserung, zur Lösung von Problemen und zum Aufbau besserer Beziehungen zu nutzen. Ein angemessenes Konfliktmanagement und die Förderung eines konstruktiven Dialogs sind entscheidend, um diese positiven Aspekte von Konflikten zu realisieren.

Schauen wir uns anhand eines Beispiels an, wie Konflikte konstruktiv gelöst werden können:

Die zwei klugen Esel

Das begehrliche Ziel:

Konflikte: Zwei Esel erblicken zwei begehrte Heuhaufen.

Zwei Esel sind aneinander gekettet. Jeder von ihnen erblickt mit knurrendem Magen einen Haufen saftigen Heus. Konzentriert einzig auf den erhofften, vermeintlich leicht zu erreichenden Leckerbissen, erkennt noch keiner der beiden den drohenden Konflikt, der für einen Außenstehenden mit Blick auf die gesamte Situation bereits offensichtlich ist.

Hier stimmt etwas nicht:

So entstehen Konflikte: Die Esel streben auf ihre Heuhaufen zu.

Die beiden streben nun ihren jeweiligen Heuhaufen zu, ohne jegliche Kommunikation. Und wie es der Teufel will, kurz vor dem ersten Bissen, merken sie erst verdutzt, dann verärgert, dass das Ziel nicht erreicht werden kann. Die Lage ist angespannt. Der Konflikt entsteht.

Die Lage verschärft sich:

So verschärfen sich Konflikte: Mit aller Kraft versucht jeder Esel seinen Heuhaufen zu erreichen.

Was liegt näher, als es mit vermehrten Anstrengungen zu versuchen? Man zerrt an der Kette, kann vielleicht ab und zu einen Büschel Heu schnappen und keuchend in Eile verschlingen, während die Puste langsam ausgeht. Gewinner gibt es keinen in diesem Stadium, dafür aber zwei Verlierer. Jeder schaut nur auf sich und seine Bedürfnisse. Mögliche alternative Lösungen haben in dem starren Blickfeld keinen Platz. Der Konflikt kostet Kraft und verschärft sich.

Aufgeben und erkennen:

So enspannen sich Konflikte: Erschöpft geben sie auf und erkennen das gemeinsame Problem.

Irgendwann hört das Zerren auf – vor lauter Erschöpfung. Der Widerstand wird aufgegeben. Und in dieser Phase nehmen die Esel plötzlich auch noch andere Dinge wahr als den begehrten Heuhaufen. Sie entdecken den Gegenpol mit dem sie untrennbar verbunden sind, und bemerken überrascht, dass er offensichtlich dasselbe Problem hat. An dieser Stelle kann eine lösungsorientierte Kommunikation und Interaktion beginnen. Zwar wollen beide einen Haufen Heu – aber nicht denselben. Und im Austausch über das gemeinsame Problem beginnt sich die Lage zu entspannen.

Lösungen statt Probleme:

Das Problem wird gelöst: Zuerst wird der eine Heuhaufen gemeinsam gefressen.

Das gleiche Ziel zu haben bedeutet nicht dem anderen etwas wegzunehmen. Es kann sogar verbinden. Individuelle Wünsche können miteinander leichter verwirklicht werden als gegeneinander. Die beiden Esel haben erkannt, dass sie aneinander gebunden sind. Sie entschließen sich, ihre Ziele gemeinsam zu erreichen und gehen Seite an Seite zum ersten Heuhaufen.

Die Win-win-Situation:

... und dann wird der andere Heuhaufen gemeinsam vertilgt.

Nachdem dieses Teilziel gemeinsam erreicht wurde, hat jeder für sich zwar nicht den vollen Erfolg, aber zumindest wesentlich mehr als nichts mit geringerem Aufwand erreicht. Der Erfolg motiviert nun im letzten Schritt beide Ziele zu erreichen. Der Lerneffekt ist nachhaltig. Beim nächsten Konflikt werden die beiden schon wesentlich früher den Blickwinkel verändern, in eine konstruktive Kommunikation einsteigen und damit eine kräftezehrende und schlimmstenfalls eskalierende Situation vermeiden.

Um das zu lernen, braucht man nicht auf handfeste Konflikte zu warten. Im Dialog lassen sich jederzeit auf spannende und wohltuende Weise unschätzbare Kommunikationsfähigkeiten einüben.

Die nächsten Termine unserer offenen Gruppe „Dialog mit Respekt“ in Lochau finden Sie hier:

Gerne lassen wir Sie an unseren Erfahrungen teilhaben und sind dabei behilflich, auch in Ihrer Gegend Dialoggruppen aufzubauen.

PS: Wir ketten unsere Esel nicht aneinander… Zu den Eselsbegegnungen geht es hier.

Die Bilder der „Kommunikationsesel“ stammen von Marco Breitenstein:

Kommunikationsesel von Marco Breitenstein

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