Resilienz ist ein Begriff aus der Psychologie und bezieht sich auf die Fähigkeit eines Individuums oder einer Gruppe, auf schwierige Lebensereignisse, Herausforderungen oder Stressoren zu reagieren, sie zu bewältigen und sich davon zu erholen. Er beschreibt die Fähigkeit, nach Rückschlägen, Veränderungen oder Traumata psychisch und emotional stabil zu bleiben und sich anzupassen.
Menschen, die resilient sind, haben eine innere Stärke und können sich flexibel auf Veränderungen und Belastungen einstellen, ohne daran zu zerbrechen. Sie können auch aus negativen Erfahrungen lernen und gestärkt daraus hervorgehen. Resilienz ist keine angeborene Eigenschaft, sondern kann erlernt und entwickelt werden. Sie hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie sozialen Unterstützungssystemen, emotionaler Intelligenz, Selbstbewusstsein, Optimismus, Problemlösungsfähigkeiten und der Fähigkeit, mit Stress umzugehen.
Resilienz ist ein wichtiger Aspekt der psychischen Gesundheit und spielt eine entscheidende Rolle in der Bewältigung von Lebensherausforderungen. Menschen, die über eine höhere Resilienz verfügen, haben oft eine bessere Lebensqualität und sind in der Lage, langfristige positive Anpassungen und Wachstum zu erfahren, selbst in schwierigen Situationen. Die Entwicklung von Resilienz kann in Therapie, Coaching oder durch persönliches Wachstum und Selbstreflexion gefördert werden.
Fragen für den Dialog:
Was waren in meinem Leben die größten Herausforderungen und wie habe ich sie bewältigt?
Welche Ressourcen waren hilfreich, um schwierige Situationen zu meistern?
Welche Fähigkeiten und Stärken habe ich entwickelt?
Literatur:
Wer Lust hat, tiefer in die Materie einzusteigen, dem sei die Landesbibliothek Bregenz empfohlen, mit fast 1000 Treffern zum Suchbegriff „Resilienz“. Ein wunderbarer Ort zum Stöbern und Lesen, der auch über technisch bestens ausgestattete Räume für kleine Arbeitsgruppen verfügt sowie über eine ganze Reihe an E-Books zum Download.
Zwillingsstudien zeigen, dass nur etwa 10 Prozent der durchschnittlichen Lebenszeit eines Menschen Veranlagungssache ist. Die anderen 90 Prozent werden durch unseren Lebensstil bestimmt.
Gibt es eine Formel für ein langes, gutes Leben? Soll man Marathon laufen oder Yoga machen? Soll man Bio-Fleisch essen oder sich doch besser vegan ernähren? Vitamine und Mineralstoffe als Nahrungsergänzung oder lieber nicht? Hormone als Antiaging Medizin? Welchen Stellenwert haben Entspannung und guter Schlaf? Was hat das Bewusstsein damit zu tun? Spiritualität? Soziale Kontakte? Die Umwelt?
Um diese Frage zu beantworten, bietet es sich an, die Blue Zones genauer unter die Lupe zu nehmen, also die Regionen der Erde, in denen die Menschen überdurchschnittlich lange und gesund leben und in denen es besonders viele Hundertjährige gibt. Derzeit sind fünf solcher Regionen als „Blue Zones“ bekannt: Okinawa (Japan), Sardinien (Italien), die Nicoya-Halbinsel (Costa Rica), Ikaria (Griechenland) und Loma Linda (Kalifornien, USA).
Was ist nun der gemeinsame Nenner dieser so unterschiedlichen Kulturen? Was ist es, dass sie alle machen?
Die erste Gemeinsamkeit: keiner von ihnen macht Sport (zumindest nicht in der Weise, wie wir das definieren). Aber ihr Leben ist gefüllt mit körperlicher Aktivität. Die 100-jährigen Frauen auf Okinawa sitzen am Boden und stehen unzählige Male am Tag auf und setzen sich wieder hin. Sarden halten sich mit Treppensteigen fit, sie machen viele tägliche Wege zu Fuß, erledigen ihre Garten- und Hausarbeit (bevorzugt ohne Maschinen) mit Genuss.
Jede dieser Kulturen nimmt sich Zeit, mal einen Gang herunterzuschalten. Manche beten, andere ehren ihre Vorfahren. Viele pflegen ihre Religion oder spirituelle Praxis. Sie ernähren sich eher pflanzenbasiert, mit vielen Hülsenfrüchten und Nüssen und wenig Fleisch. Und sie essen wenig, ohne sich zu überessen. Die Familie steht über allem, man kümmert sich um die Kinder und die alternden Eltern. Und sie umgeben sich bewusst mit den richtigen Leuten.
Aus der Framingham-Studie wissen wir, dass, wenn die drei besten Freunde übergewichtig sind, man selbst mit 50 Prozent größerer Wahrscheinlichkeit Gewichtsprobleme hat. Das heißt, wenn man sich mit ungesund lebenden Menschen umgibt, dann hat das mit der Zeit messbare Auswirkungen. Wenn man körperlich aktive Freunde hat, die gelegentlich ein Schlückchen, aber ansonsten nicht allzu viel Alkohol trinken, vernünftig essen, vertrauenswürdig sind, dann hat das über weite Zeitspannen großen Einfluss auf uns. So gesehen, sind Freunde ein Abenteuer und vielleicht das Wichtigste, was man unternehmen kann, um dem Leben mehr Jahre zu schenken und diesen Jahren mehr Leben zu verleihen.
Der letzte Punkt, der ein langes, gesundes Leben fördert, ist zu wissen, warum man morgens aufsteht. Manche suchen diesen Sinn ein Leben lang und diese Suche ist es definitiv wert. Eine ganz besondere Methode, dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen, möchte ich etwas eingehender beschreiben.
Ikigai ist ein traditionelles japanisches Konzept, das seinen Ursprung auf der japanischen Insel Okinawa hat. Der Begriff setzt sich aus zwei Wörtern zusammen: „iki“, was so viel wie „Leben“ oder „Lebensweg“ bedeutet, und „gai“, was „Wert“ oder „Nutzen“ bedeutet. Es ist also der „Wert des Lebens“ oder der „Sinn des Lebens“.
Das Konzept des Ikigai basiert auf der Idee, dass jeder Mensch eine einzigartige Kombination von Leidenschaften, Talenten und Lebenszielen hat. Es ist die Schnittmenge zwischen vier verschiedenen Aspekten:
Leidenschaft (What you love)
Dinge, die uns Freude bereiten, die uns begeistern und die uns mit Energie erfüllen.
Talent (What you are good at)
Unsere natürlichen Fähigkeiten, Talente und Stärken, die uns einzigartig machen.
Notwendigkeit (What the world needs)
Die Bedürfnisse der Gesellschaft oder der Welt, zu denen wir einen positiven Beitrag leisten können.
Bezahlung (What you can be paid for)
Die Möglichkeit, unsere Talente und Leidenschaften beruflich oder finanziell zu nutzen.
Erfüllung und Zufriedenheit im Leben entstehen, wenn diese vier Aspekte in Balance sind und sich gegenseitig ergänzen.
Die Gesundheit, Langlebigkeit und Zufriedenheit, für die die Menschen auf Okinawa bekannt sind, werden oft auf ihr starkes Gefühl von Ikigai zurückgeführt – ihre Verbindung zu einem tieferen Lebenssinn und der Sinnhaftigkeit in allem, was sie tun.
Ikigai hat sich in den letzten Jahren auch außerhalb Japans immer größerer Beliebtheit erfreut und wird als Konzept zur Selbstfindung, Lebensführung und Karriereplanung angewendet. Es ermutigt die Menschen, ihre Leidenschaften zu entdecken, ihre Talente zu nutzen, die Welt zu bereichern und dabei auch finanziell belohnt zu werden. Das Streben nach Ikigai kann helfen, ein erfülltes und glückliches Leben zu führen, indem es uns mit einem tieferen Zweck verbindet.
Folgende Übungen sollen dazu inspirieren, seinem Ikigai näherzukommen.
Journaling und Selbstreflexion
Beginnen Sie ein Journal, um Ihre Gedanken und Gefühle bezüglich Ihrer Leidenschaften und Talente aufzuzeichnen. Fragen Sie sich selbst, was Sie wirklich glücklich macht und wofür Sie eine Leidenschaft haben. Reflektieren Sie auch über Ihre Fähigkeiten, Talente und Stärken. Schreiben Sie auf, was Sie gerne tun und wofür Sie oft Komplimente oder Anerkennung erhalten.
Mind Mapping
Erstellen Sie eine Mind Map oder eine Grafik, um Ihre Interessen, Fähigkeiten und Ziele visuell darzustellen. Verbinden Sie die verschiedenen Elemente, um mögliche Schnittmengen und Verbindungen zu erkennen. Dies kann Ihnen helfen, ein klareres Bild von Ihrem Ikigai zu bekommen.
Gespräche mit anderen Menschen
Sprechen Sie mit Freunden, Familie oder Kollegen über das Konzept von Ikigai und ermutigen Sie sie, ihre Gedanken und Perspektiven zu teilen. Oft können andere Menschen neue Einsichten und Ideen liefern, die Ihnen dabei helfen, Ihre eigenen Leidenschaften und Talente besser zu verstehen. Der Dialog ist besonders gut dazu geeignet, solche Gespräche zu führen.
Flow-Erfahrungen suchen
Suchen Sie nach Tätigkeiten oder Projekten, bei denen Sie so sehr aufgehen, dass Sie die Zeit vergessen und ein Gefühl von Flow erleben. Flow ist ein Zustand tiefer Konzentration und Erfüllung, der oft mit den Aktivitäten verbunden ist, die mit Ihrem Ikigai in Verbindung stehen.
Neues ausprobieren
Seien Sie offen für neue Erfahrungen und probieren Sie verschiedene Aktivitäten oder Hobbys aus, die Sie interessieren könnten. Manchmal entdecken wir unsere Leidenschaften, indem wir uns neuen Herausforderungen stellen und etwas anders oder etwas anderes machen. Inspirationen dazu finden Sie zum Beispiel hier.
Stärken und Schwächen analysieren
Machen Sie eine Liste Ihrer Stärken und Schwächen, um Ihre Talente besser zu verstehen. Überlegen Sie, wie Sie Ihre Stärken nutzen können, um anderen zu helfen oder die Welt auf irgendeine Weise zu verbessern.
Lebensziele und -werte definieren
Identifizieren Sie Ihre Lebensziele und -werte. Fragen Sie sich, welche Werte Ihnen wichtig sind und wie diese mit Ihren Leidenschaften und Talenten in Verbindung stehen. Dies kann Ihnen dabei helfen, Ihr Ikigai besser zu definieren.
Aktionsplan entwickeln
Sobald Sie eine Idee von Ihrem Ikigai haben, entwickeln Sie einen Aktionsplan, um dieses Ziel zu erreichen. Setzen Sie sich realistische Ziele und Schritte, um Ihre Leidenschaften und Talente in die Tat umzusetzen und einen sinnvollen Weg in Richtung Erfüllung zu gehen.
Diese Übungen können Ihnen dabei helfen, Ihrem Ikigai näherzukommen und einen tieferen Sinn und Zweck in Ihrem Leben zu entdecken. Denken Sie daran, dass dies eine Reise der Selbstentdeckung ist und es wichtig ist, geduldig mit sich selbst zu sein und die Erkundung Ihres Ikigai als kontinuierlichen Prozess zu betrachten.
Sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr? Dann buchen Sie einen Termin für Ihr Erstgespräch. Wir finden gemeinsam mit Ihnen den Weg zu Ihrem besten Leben. Ganz individuell oder auch in einer Gruppe von Menschen, mit denen man ein Stück des Lebensweges gehen will.
Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden;
es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.
Johann Wolfgang von Goethe
Oder um es mit den Worten des ebenfalls fast 100-jährigen Thích Nhất Hạnh auszudrücken: Was nützt es zu wissen, wenn man nicht handelt?
Fake News oder Fakt? Manchmal ist das gar nicht so leicht zu beurteilen. In diesem Artikel gehen wir der Frage nach, wie Fake News entstehen und was man tun kann, um Fehl- und Falschinformationen nicht auf den Leim zu gehen.
Seit etwa einer Woche ist das Frosch-Logo der Rainforest-Alliance in aller Munde. Oder eben nicht mehr, denn die Lebensmittel mit diesem Kennzeichen sollen mRNA enthalten. Der Grund wäre, dass Bill Gates persönlich das Unternehmen steuern würde.
Am 5. Juli 2023 will sogar jemand drei Produkte zur Untersuchung in ein Speziallabor gebracht haben. Das Ergebnis: mRNA ist (angeblich) nachweisbar:
Wer zweifelnd den Kopf schüttelt, läuft Gefahr, belächelt oder gar beschimpft zu werden. Report24 hat dankenswerterweise einen Faktencheck gemacht und herausgefunden, wo die Geschichte vermutlich ihren Ursprung hatte: auf einem Twitter Satirekanal.
Die Frage, die man sich immer stellen sollte: Qui bono? Wem nützt es? Nun, manche werden sich über ihre Klickzahlen gefreut haben. Andere darüber, dass Leichtgläubige darauf hereingefallen sind und so diskreditiert werden. Im ungünstigsten Fall mag es sogar Schadenersatzklagen geben. Zumindest sind Fake News eine gute Methode, um von Wesentlichem abzulenken, das besser nicht Gegenstand der Aufmerksamkeit sein soll.
Jedenfalls ist diese Froschgeschichte ein Anlass, sich über die Entstehung von Fake News ein paar Gedanken zu machen:
Absichtliche Fehlinformationen:
Jemand erstellt bewusst und absichtlich eine falsche Geschichte, um Menschen zu täuschen, politische Agenda voranzutreiben oder persönlichen Nutzen daraus zu ziehen. Dies kann durch die Erfindung von Ereignissen, die Manipulation von Fakten oder das Verbreiten von Gerüchten geschehen.
Beispiele:
Eine erfundene Geschichte über eine angebliche Naturkatastrophe, die von einer politischen Gruppe verbreitet wird, um ihre Agenda zu unterstützen.
Die Erstellung gefälschter Statistiken über Einwanderung, um Angst und Vorurteile zu schüren und politische Maßnahmen zu beeinflussen.
Fehlinterpretation von Informationen:
Oft entstehen Fake News durch eine fehlerhafte Interpretation oder Verzerrung von wahren Informationen. Es kann vorkommen, dass Informationen aus dem Kontext gerissen werden oder selektiv verwendet werden, um eine bestimmte Botschaft zu vermitteln.
Beispiele:
Eine wahre Geschichte über einen Lebensmittelhersteller, der freiwillig ein Produkt zurückruft, wird so interpretiert, dass das Produkt tödliche Krankheiten verursacht, obwohl es nur ein kleines Risiko gibt.
Eine politische Rede wird aus dem Zusammenhang gerissen, um eine falsche Botschaft zu vermitteln, die den Redner diskreditiert.
Satire und Parodie:
Manchmal werden Fake News auch als satirische oder parodistische Beiträge erstellt, wie das Beispiel der eingangs erwähnten Causa Rainforest-Alliance zeigt. Diese können absichtlich übertrieben oder erfunden sein, um humoristische oder kritische Kommentare zu machen. Allerdings besteht die Gefahr, dass solche Beiträge von manchen Menschen als wahr angesehen und verbreitet werden.
Ein satirischer Artikel, der behauptet, dass eine bekannte Persönlichkeit außerirdische Kräfte besitzt und mit Aliens kommuniziert. Obwohl offensichtlich übertrieben, kann er von einigen Menschen als echte Nachricht angesehen und weiterverbreitet werden.
Eine humoristische Parodie eines Nachrichtenbeitrags, der behauptet, dass Haustiere in der Lage sind, menschliche Sprache zu verstehen und zu sprechen.
Falsche Quellen und Quellenmanipulation:
Fake News können auch entstehen, indem Quellen manipuliert oder erfunden werden. Dabei werden nicht existierende Experten, Zeugen oder Berichte erfunden, um den Anschein von Glaubwürdigkeit zu erwecken. Auch die Verwendung von gefälschten Bildern, Videos oder Zitaten kann zur Verbreitung von Fake News beitragen.
Beispiele:
Die Erfindung einer angeblichen Expertenmeinung zu einem medizinischen Thema, um ein bestimmtes Produkt zu bewerben.
Die Verwendung eines gefälschten Fotos, das angeblich eine Massendemonstration zeigt, um einen politischen Standpunkt zu unterstützen.
Unvorsichtige Weiterverbreitung:
Oftmals werden Fake News unbeabsichtigt von Menschen verbreitet, die die Informationen nicht ausreichend überprüfen oder kritisch hinterfragen. Durch die Nutzung von Social-Media-Plattformen können sich Falschmeldungen schnell verbreiten und von vielen Nutzern geteilt werden, ohne dass sie die Richtigkeit der Informationen überprüfen.
Beispiele:
Ein Social-Media-Nutzer teilt eine Schlagzeile über einen angeblichen Prominenten-Skandal, ohne den Artikel zu lesen oder die Quelle zu überprüfen.
Ein E-Mail-Weiterleitungs-Kettenbrief mit falschen Informationen über eine bevorstehende Gefahr oder ein Virus, der von Nutzern unbewusst an ihre Kontakte weitergeleitet wird.
Es ist wichtig zu beachten, dass Fake News in verschiedenen Formen auftreten können und nicht ausschließlich auf Online-Medien beschränkt sind. Sie können auch in Printmedien, Fernsehen oder im persönlichen Gespräch verbreitet werden. Die Bekämpfung von Fake News erfordert daher eine Kombination aus Medienkompetenz, kritischem Denken und einer verstärkten Verantwortung der Medien und Plattformen, genaue und verifizierte Informationen bereitzustellen.
Diese Beispiele verdeutlichen, wie Fake News in verschiedenen Formen und Kontexten auftreten können. Es ist wichtig, kritisch zu sein und Informationen zu überprüfen, bevor man sie weitergibt oder ihnen Glauben schenkt.
Um Fake News zu vermeiden und ihnen nicht aufzusitzen, gibt es einige praktische Schritte, die man unternehmen kann:
Überprüfen Sie die Quellen:
Überprüfen Sie die Glaubwürdigkeit der Quellen, von denen Sie Informationen erhalten. Achten Sie darauf, dass sie seriös sind, eine gute Reputation haben und für ihre Zuverlässigkeit bekannt sind.
Prüfen Sie die Fakten:
Überprüfen Sie die Fakten und Informationen, bevor Sie sie weitergeben oder darauf reagieren. Nutzen Sie Faktenprüfer, um die Richtigkeit von Behauptungen und Nachrichten zu überprüfen. Sie können Ihnen dabei helfen, weit verbreitete Mythen und Fehlinformationen zu entlarven.
Seien Sie skeptisch:
Seien Sie skeptisch gegenüber sensationellen oder reißerischen Schlagzeilen, die darauf abzielen, Ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Fragen Sie sich, ob die Informationen plausibel klingen und ob es andere verlässliche Quellen gibt, die sie bestätigen.
Entwickeln Sie kritische Lesekompetenz:
Entwickeln Sie Ihre Fähigkeiten zur kritischen Analyse von Informationen. Achten Sie auf Logiklücken, unzureichende Beweise oder Manipulationstechniken in Texten, Bildern oder Videos. Hinterfragen Sie die Absichten und Motivationen der Quelle.
Diversifizieren Sie Ihre Informationsquellen:
Konsumieren Sie Nachrichten und Informationen aus verschiedenen Quellen und Blickwinkeln. Vermeiden Sie es, sich auf eine einzige Informationsquelle zu verlassen, da dies zu einer einseitigen Sichtweise führen kann.
Entwickeln Sie Medienkompetenz:
Informieren Sie sich über Medienkompetenz und lernen Sie, wie Sie Informationen analysieren, bewerten und interpretieren können. Dies beinhaltet die Fähigkeit, Medieninhalte zu verstehen, kritisch zu denken und Medientechnologien angemessen zu nutzen. Einige Übungen dazu finden Sie weiter unten.
Teilen Sie verantwortungsbewusst:
Bevor Sie Informationen weitergeben, insbesondere in den sozialen Medien, überprüfen Sie ihre Richtigkeit und den Wahrheitsgehalt. Teilen Sie nur Informationen, von denen Sie überzeugt sind, dass sie verlässlich und korrekt sind, und helfen Sie dabei, die Verbreitung von Fehlinformationen zu reduzieren.
Indem Sie diese Schritte befolgen, können Sie Ihre Fähigkeit verbessern, Fake News zu erkennen und ihnen nicht aufzusitzen. Es ist wichtig, immer kritisch zu bleiben und Informationen gründlich zu überprüfen, um eine fundierte Meinungsbildung zu ermöglichen.
Es gibt verschiedene Übungen, die Sie durchführen können, um Ihre Medienkompetenz zu stärken. Hier sind einige Beispiele:
Faktencheck:
Wählen Sie eine aktuelle Nachricht oder eine Behauptung, die Sie in den Medien gefunden haben, und führen Sie einen Faktencheck durch. Suchen Sie nach vertrauenswürdigen Quellen und überprüfen Sie, ob die Informationen korrekt sind. Untersuchen Sie die Hintergründe, suchen Sie nach weiteren Quellen und vergleichen Sie verschiedene Standpunkte. Notieren Sie sich Ihre Ergebnisse und Schlussfolgerungen.
Bias-Analyse:
Wählen Sie eine bestimmte Nachrichtenquelle oder Zeitschrift aus und analysieren Sie ihren potenziellen Bias. Untersuchen Sie die politische Ausrichtung, die Interessen und den Standpunkt der Quelle. Fragen Sie sich, ob es eine Tendenz zur Voreingenommenheit oder Einseitigkeit gibt. Betrachten Sie, wie diese Faktoren die Art und Weise beeinflussen können, wie Informationen präsentiert werden.
Medienvergleich:
Wählen Sie ein bestimmtes Ereignis oder eine bestimmte Nachricht und suchen Sie nach Berichterstattungen darüber in verschiedenen Medienquellen. Vergleichen Sie, wie verschiedene Medien die Geschichte darstellen, welche Informationen hervorgehoben oder weggelassen werden und ob es Unterschiede in der Berichterstattung gibt. Diskutieren Sie Ihre Beobachtungen mit anderen, um verschiedene Perspektiven zu erhalten.
Quellenanalyse:
Nehmen Sie eine Nachricht oder einen Artikel und analysieren Sie die Quellen, auf die verwiesen wird. Fragen Sie sich, ob die Quellen vertrauenswürdig und angemessen sind. Überprüfen Sie, ob die Informationen aus erster Hand, aus Sekundärquellen oder aus anderen verlässlichen Quellen stammen. Untersuchen Sie die Glaubwürdigkeit und Expertise der genannten Quellen.
Medienproduktion:
Versuchen Sie selbst Medieninhalte zu produzieren, wie zum Beispiel einen Blogbeitrag, ein Video oder einen Podcast. Setzen Sie sich mit den Herausforderungen der Medienproduktion auseinander, wie zum Beispiel der Auswahl von Informationen, der Präsentation von Fakten und der Vermittlung einer klaren Botschaft. Reflektieren Sie über den Einfluss von Medien auf die Wahrnehmung und Interpretation von Inhalten.
Dialog:
Nehmen Sie an einem Dialog über aktuelle Themen oder kontroverse Fragen teil. Üben Sie sich darin, verschiedene Standpunkte zu verstehen. Lernen Sie, kritische Fragen zu stellen, Meinungen zu hinterfragen und andere Perspektiven zu berücksichtigen.
Diese Übungen können helfen, die Medienkompetenz zu entwickeln und kritischer mit Medieninhalten umzugehen. Indem man sich aktiv mit Medien auseinandersetzt und die Fähigkeiten zur Analyse und Interpretation von Informationen schärft, wird man immer besser in der Lage sein, fundierte Entscheidungen zu treffen und Fehlinformationen zu erkennen.
Und vergessen Sie nie, auch die Faktenchecker zu checken.
Faktencheck Workshop:
Sie möchten tiefer einsteigen in die Methodik? Es gibt ein aktuelles Thema, das in Ihrem Bekanntenkreis kontrovers diskutiert wird? Gerne mache ich mich mit Ihnen in Form eines maßgeschneiderten Faktencheck Workshops auf Spurensuche. In der Landesbibliothek Bregenz oder auch online.
Der Entdeckergeist ist etwas, was die Menschheit seit Anbeginn der Zeit definiert hat. Der Wunsch, die Welt und die Natur der Dinge zu verstehen, hat uns dazu geführt, über den Horizont hinauszublicken, uns in die Tiefen des Meeres zu wagen und die Sterne zu erreichen. Doch nicht nur die äußere Welt will erkundet werden. Denn genauso spannend ist die Entdeckung von uns selbst und unseren Beziehungen zu anderen. Der Königsweg dorthin? Der Dialog.
In einem Dialog geht es nicht nur darum, seine Meinung zu äußern und Argumente zu verteidigen. Es geht darum, sich der anderen Person zu öffnen, ihre Ansichten zu respektieren und ihre Weltsicht zu verstehen. Es bedeutet, aufrichtig zuzuhören und Fragen zu stellen, die aus echtem Interesse und Neugier entspringen. Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Dialog liegt in sechs Kernkompetenzen: Entdeckergeist, Respekt, von Herzen sprechen, tiefes Zuhören, Zweifel zulassen und Verlangsamen.
Entdeckergeist: Die Bereitschaft, zu lernen und zu entdecken
Der Entdeckergeist bildet den Ausgangspunkt. Entdeckergeist bedeutet nicht, sich als Experte oder Besserwisser aufzuspielen, sondern mit Offenheit und Neugier die Welt aus neuen Blickwinkeln zu betrachten. Es geht um das ehrliche Streben, unser Verständnis zu vertiefen, indem wir aufrichtige Fragen stellen und uns immer wieder neu einer sich stetig ändernden Wirklichkeit nähern.
Wer das nicht tut, gerät schnell in die Falle der Rechthaberei. Den Sprechenden durch gezielte, inquisitorische Fragen zu verunsichern oder bloßzustellen, hat nichts mit Entdeckergeist zu tun. Anstatt den Oberlehrer zu spielen, gilt es, mit einer achtsamen Haltung sich und dem Gegenüber neue Perspektiven zu eröffnen.
Experiment „Entdeckergeist“:
Machen Sie in den folgenden 7 Tagen jeweils etwas Neues oder etwas Altes auf neue Art. Wählen Sie eine tägliche Routine aus, die Sie meist ohne nachzudenken durchführen – vielleicht ist es Ihr Weg zur Arbeit, Ihre morgendliche Kaffeezubereitung oder die Art und Weise, wie Sie Ihre Pause verbringen.
Betrachten Sie die gewählte Routine durch die Linse des Entdeckergeistes. Stellen Sie sich vor, Sie würden diese Aktivität in einem anderen Land, einem anderen kulturellen Kontext oder sogar zu einer anderen Zeit durchführen. Wie würde sich das auswirken? Was könnten Sie daraus lernen?
Respekt: Anerkennung und Wertschätzung
Ein wesentlicher Bestandteil des Dialogs ist der Respekt. Respekt meint, jemanden in seiner Andersartigkeit als gleichwertig anzuerkennen und seine Weltsicht als ebenso berechtigt zu verstehen wie die eigene. Es bedeutet, ohne Vorurteile und Kritik auf den anderen einzugehen, ihn in seiner Gesamtheit wahrzunehmen und zu schätzen.
Respektlos ist es, die Ansichten eines anderen als Unsinn abzutun, Respekt einzufordern, ohne ihn zu geben, auf einem hohen Ross zu sitzen oder Sturheit zu zeigen.
Experiment „Stille Wertschätzung“
Behandeln Sie in den folgenden 7 Tagen jeweils eine Person in Ihrem Leben mit besonderem Respekt. Beobachten Sie, wie Sie normalerweise jemandem Respekt erweisen. Gibt es Situationen, in denen Sie das Gefühl haben, dass Sie nicht genug Respekt zeigen? Reflektieren Sie ohne Selbstkritik ihr Verhalten.
Wählen Sie jeden Tag eine Person aus, der Sie besonderen Respekt zeigen möchten. Denken Sie einige Minuten in Ruhe über diese Person nach und versuchen Sie, ihre Einzigartigkeit und ihren Wert zu erkennen. Was schätzen Sie an dieser Person? Was haben Sie von ihr gelernt? Was sind ihre Stärken? Halten Sie diese Gedanken in Stille und lassen Sie sie Ihr Verhalten dieser Person gegenüber beeinflussen.
Von Herzen sprechen: Authentizität und Ehrlichkeit
Im Dialog ist es essentiell, von Herzen zu sprechen und nicht nur die eigene Sichtweise darzulegen, sondern auch die Beweggründe und Bewertungen. Es geht darum, authentisch zu sein, von dem zu reden, was uns wirklich bewegt, aus dem Bauch heraus, nicht aus dem Kopf.
Sprechen um des Sprechens willen oder um dem eigenen Ego zu schmeicheln, zu belehren oder aus Angst vor Machtverlust nicht ehrlich zu sein sind hier fehl am Platz.
Experiment „Herz-Tagebuch“
Führen Sie eine Woche lang täglich ein „Herz-Tagebuch“, in dem Sie Ihre innersten Gedanken, Gefühle, Ängste und Hoffnungen festhalten. Versuchen Sie dabei, nicht nur Fakten oder Ereignisse des Tages zu notieren, sondern vor allem Ihre inneren Reaktionen auf diese Ereignisse. Was hat Sie bewegt? Was hat Sie überrascht? Was hat Sie verwirrt oder beunruhigt? Was hat Sie hoffnungsvoll oder glücklich gemacht?
Was sagen diese Einträge über Sie und Ihre Werte, Überzeugungen und Wünsche aus? Gibt es Themen oder Muster, die Sie erkennen?
Wählen Sie einen vertrauenswürdigen Freund, Partner oder ein Familienmitglied aus, dem Sie sich anvertrauen können, und teilen Sie einige Ihrer Einträge oder Erkenntnisse. Versuchen Sie, dabei so authentisch und offen wie möglich zu sein. Es geht dabei nicht darum, Ratschläge oder Feedback zu erhalten, sondern einfach Ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle zu teilen.
Wie hat sich das Teilen angefühlt? Fühlten Sie sich erleichtert, verstanden, verwundbar? Haben Sie Neues über sich selbst oder andere gelernt?
Tiefes Zuhören: Aufmerksamkeit und Empathie
Tiefes Zuhören ist ein wesentlicher Bestandteil des Dialogs. Es bedeutet, aufmerksam und empathisch zuzuhören, sodass der Sprechende sich selbst entdecken kann und der Zuhörende beobachtet, was währenddessen in ihm vorgeht.
Zeichen mangelnden Zuhörens sind, dazwischenzureden, ins Wort zu fallen oder den anderen zu verunsichern. Wer zuhört, kann nicht schon währenddessen mit dem Formulieren von Argumenten beginnen.
Experiment „Aktives Zuhören“
Führen Sie in den nächsten 7 Tagen täglich mindestens ein Gespräch, bei dem Sie sich auf das aktive Zuhören konzentrieren.
Wenn Sie ein Gespräch beginnen, nehmen Sie sich vor, wirklich zuzuhören, anstatt bereits eine Antwort zu formulieren, während die andere Person noch spricht. Konzentrieren Sie sich darauf, die Gefühle und die Botschaft, die die Person vermitteln möchte, zu verstehen. Beachten Sie nicht nur die Worte, die gesprochen werden, sondern auch die nonverbale Kommunikation wie Körpersprache und Tonfall.
Um sicherzustellen, dass Sie die Botschaft richtig verstanden haben, können Sie das Gehörte in Ihren eigenen Worten zusammenfassen und der Person zur Bestätigung zurückgeben. Das könnte so aussehen: „Wenn ich dich richtig verstanden habe, fühlst du dich … wegen … Ist das korrekt?“.
Wie hat es sich angefühlt, sich wirklich auf das Zuhören zu konzentrieren? Haben Sie das Gefühl, die andere Person besser verstanden zu haben? Wie hat die andere Person auf Ihr aktives Zuhören reagiert?
Wiederholen Sie diesen Prozess in unterschiedlichen Gesprächen und Situationen. Sie könnten zum Beispiel das aktive Zuhören in einem geschäftlichen Meeting, in einem Gespräch mit einem Freund oder in einer Diskussion mit Ihrem Partner ausprobieren.
Zweifel zulassen: Offenheit und Reflexion
Eine weitere zentrale Kunst im Dialog ist es, Zweifel zuzulassen. Dabei achtet man darauf, Annahmen und Bewertungen bewusst zu machen und von Beobachtungen zu unterscheiden.
Die Falle hierbei ist es, sich mit seiner Meinung zu identifizieren, eine starre Position einzunehmen oder Zweifel und Verunsicherung nicht auszuhalten.
Experiment „Infrage stellen“
Stellen Sie in der kommenden Woche täglich mindestens eine Ihrer Überzeugungen oder Annahmen infrage.
Wählen Sie etwas aus, die Sie als wahr betrachten. Es kann etwas sein, das Sie über sich selbst, über andere Menschen, über die Welt im Allgemeinen oder über ein spezielles Thema denken.
Stellen Sie diese Überzeugung infrage. Woher kommt sie? Was sind die Beweise, die Sie dafür haben? Gibt es Gegenbeweise, die Sie ignorieren? Wie fühlt es sich an, zu zweifeln und die Annahmen in der Schwebe zu halten? Könnten Sie diese Überzeugung aufgeben, wenn Sie genug Beweise gegen sie hätten?
War es schwierig, Ihre Überzeugung infrage zu stellen? Haben Sie Neues gelernt? Wie fühlen Sie sich jetzt im Vergleich zu dem Moment, bevor Sie die Übung begonnen haben?
Wiederholen Sie diesen Prozess mit einer anderen Überzeugung oder Annahme. Versuchen Sie, ein breites Spektrum von Themen abzudecken, einschließlich solcher, die Sie als besonders sicher oder unantastbar betrachten.
Das Ziel dieser Übung ist es, die Fähigkeit zu entwickeln, Ihre eigenen Überzeugungen und Annahmen infrage zu stellen und sich mit Unsicherheit und Zweifel wohl zu fühlen. Es geht nicht darum, Ihre Überzeugungen aufzugeben, sondern darum, ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, warum Sie glauben, was Sie glauben, und offen für die Möglichkeit zu sein, dass Sie sich irren könnten.
Verlangsamen: Innere und Äußere Ruhe
Schließlich ist das Verlangsamen ein wichtiges Element des Dialogs. Innere Verlangsamung zulassen, die sich durch die Anwendung der Kernfähigkeiten des Dialogs einstellt. Äußere Verlangsamung akzeptieren, durch Sprechende, die Zeit brauchen, durch ein Redesymbol oder eine Klangschale.
Gelingt der Prozess des Verlangsamens nicht, kann es sein, dass man sich rastlos und getrieben fühlt, sich selbst und dem anderen keine Pause gönnt oder meint, Zeit zu verlieren.
Experiment „Achtsame Momente“
Legen Sie in den nächsten 7 Tagen täglich mindestens zweimal einen achtsamen Moment ein, das bedeutet einen Moment, in dem Sie bewusst das Tempo drosseln und Ihre volle Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt richten.
Wählen Sie zwei Alltagsaktivitäten aus, die Sie normalerweise automatisch oder hastig durchführen, wie zum Beispiel das Zähneputzen, das Trinken einer Tasse Kaffee, Duschen oder Mittagessen.
Wenn Sie diese Aktivitäten durchführen, verlangsamen Sie bewusst Ihre Bewegungen und richten Sie Ihre volle Aufmerksamkeit auf die Erfahrung. Was können Sie sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken? Wie fühlt sich Ihr Körper an? Was geschieht in Ihrem Geist?
Wiederholen Sie diese achtsamen Momente jeden Tag und versuchen Sie, die Anzahl der Momente im Laufe der Zeit zu erhöhen oder sie auf neue Aktivitäten auszuweiten.
Das Ziel dieser Übung ist es, Ihnen zu helfen, den Wert der Verlangsamung zu erkennen und zu erfahren, wie Sie durch achtsames Bewusstsein und Präsenz im gegenwärtigen Moment ein tieferes und reichhaltigeres Erleben Ihrer täglichen Aktivitäten erreichen können. Sie können diese Übung jederzeit und überall durchführen, und sie kann Ihnen helfen, Stress abzubauen, Ihre Stimmung zu verbessern und ein tieferes Gefühl von Verbindung und Zufriedenheit zu erleben.
Der Dialog ist eine Kunst, die erlernt und geübt werden muss. Er fordert uns heraus, uns selbst, andere und die Welt um uns herum auf neue und tiefere Weise zu entdecken. Es ist ein Weg, der uns hilft, Brücken zu bauen und tiefere Verbindungen zu schaffen, die uns erlauben, die Komplexität unserer Welt gemeinsam zu bewältigen.
Die obigen Experimente laden dazu ein, die Kernkompetenzen des Dialogs zu erkunden. Wirklich erfahren lässt sich deren Wirkung jedoch nur in einer Gruppe.
Unser „Dialog mit Respekt“ ist eine offene Gruppe, die sich regelmäßig in Lochau trifft, um die vielfältigsten Themen gemeinsam zu erdenken. Wir freuen uns über Gäste, die unsere Werte teilen und helfen auch gerne dabei, Dialoggruppen in anderen Regionen aufzubauen.
Konflikte sind nicht grundsätzlich schlecht. Interessensgegensätze können Ausgangspunkt für einen konstruktiven sozialen Wandel sein, und viele demokratische Errungenschaften wurden auf diesem Wege erreicht.
Worin liegt der Sinn von Konflikten?
Identifikation von Problemen:
Sie können auf bestehende Probleme, Unstimmigkeiten oder Missstände hinweisen und als Indikator dienen, dass etwas nicht richtig läuft oder dass Veränderungen erforderlich sind.
Förderung des Wachstums und der Entwicklung:
Konflikte können als Katalysator für Veränderungen und Innovationen dienen. Durch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen und Ideen werden neue Lösungen und Perspektiven entwickelt.
Verbesserung der Kommunikation:
Wenn Menschen ihre Gedanken, Bedürfnisse und Standpunkte klarer artikulieren, kann das zu einer verbesserten Kommunikation und einem tieferen Verständnis zwischen den Parteien führen.
Stärkung von Beziehungen:
Beziehungen werden vertieft und gestärkt. Die beteiligten Parteien können eine gemeinsame Basis finden, Kompromisse eingehen und das Vertrauen zueinander aufbauen.
Selbstreflexion und persönliches Wachstum:
Hinterfragen Menschen ihre eigenen Überzeugungen, Werte und Verhaltensweisen, fördert das die persönliche Weiterentwicklung und ermöglicht ein tieferes Verständnis der eigenen Perspektive.
Stärkung von Gruppen oder Gemeinschaften:
Gruppen oder Gemeinschaften solidarisieren sich und setzen sich miteinander für eine gemeinsame Sache oder Lösung ein.
Der Sinn von Konflikten besteht nicht darin, ständige Konfrontationen oder Gewalt zu fördern. Vielmehr geht es darum, sie als Gelegenheit zur Verbesserung, zur Lösung von Problemen und zum Aufbau besserer Beziehungen zu nutzen. Ein angemessenes Konfliktmanagement und die Förderung eines konstruktiven Dialogs sind entscheidend, um diese positiven Aspekte von Konflikten zu realisieren.
Schauen wir uns anhand eines Beispiels an, wie Konflikte konstruktiv gelöst werden können:
Die zwei klugen Esel
Das begehrliche Ziel:
Zwei Esel sind aneinander gekettet. Jeder von ihnen erblickt mit knurrendem Magen einen Haufen saftigen Heus. Konzentriert einzig auf den erhofften, vermeintlich leicht zu erreichenden Leckerbissen, erkennt noch keiner der beiden den drohenden Konflikt, der für einen Außenstehenden mit Blick auf die gesamte Situation bereits offensichtlich ist.
Hier stimmt etwas nicht:
Die beiden streben nun ihren jeweiligen Heuhaufen zu, ohne jegliche Kommunikation. Und wie es der Teufel will, kurz vor dem ersten Bissen, merken sie erst verdutzt, dann verärgert, dass das Ziel nicht erreicht werden kann. Die Lage ist angespannt. Der Konflikt entsteht.
Die Lage verschärft sich:
Was liegt näher, als es mit vermehrten Anstrengungen zu versuchen? Man zerrt an der Kette, kann vielleicht ab und zu einen Büschel Heu schnappen und keuchend in Eile verschlingen, während die Puste langsam ausgeht. Gewinner gibt es keinen in diesem Stadium, dafür aber zwei Verlierer. Jeder schaut nur auf sich und seine Bedürfnisse. Mögliche alternative Lösungen haben in dem starren Blickfeld keinen Platz. Der Konflikt kostet Kraft und verschärft sich.
Aufgeben und erkennen:
Irgendwann hört das Zerren auf – vor lauter Erschöpfung. Der Widerstand wird aufgegeben. Und in dieser Phase nehmen die Esel plötzlich auch noch andere Dinge wahr als den begehrten Heuhaufen. Sie entdecken den Gegenpol mit dem sie untrennbar verbunden sind, und bemerken überrascht, dass er offensichtlich dasselbe Problem hat. An dieser Stelle kann eine lösungsorientierte Kommunikation und Interaktion beginnen. Zwar wollen beide einen Haufen Heu – aber nicht denselben. Und im Austausch über das gemeinsame Problem beginnt sich die Lage zu entspannen.
Lösungen statt Probleme:
Das gleiche Ziel zu haben bedeutet nicht dem anderen etwas wegzunehmen. Es kann sogar verbinden. Individuelle Wünsche können miteinander leichter verwirklicht werden als gegeneinander. Die beiden Esel haben erkannt, dass sie aneinander gebunden sind. Sie entschließen sich, ihre Ziele gemeinsam zu erreichen und gehen Seite an Seite zum ersten Heuhaufen.
Die Win-win-Situation:
Nachdem dieses Teilziel gemeinsam erreicht wurde, hat jeder für sich zwar nicht den vollen Erfolg, aber zumindest wesentlich mehr als nichts mit geringerem Aufwand erreicht. Der Erfolg motiviert nun im letzten Schritt beide Ziele zu erreichen. Der Lerneffekt ist nachhaltig. Beim nächsten Konflikt werden die beiden schon wesentlich früher den Blickwinkel verändern, in eine konstruktive Kommunikation einsteigen und damit eine kräftezehrende und schlimmstenfalls eskalierende Situation vermeiden.
Um das zu lernen, braucht man nicht auf handfeste Konflikte zu warten. Im Dialog lassen sich jederzeit auf spannende und wohltuende Weise unschätzbare Kommunikationsfähigkeiten einüben.
Die nächsten Termine unserer offenen Gruppe „Dialog mit Respekt“ in Lochau finden Sie hier:
Gerne lassen wir Sie an unseren Erfahrungen teilhaben und sind dabei behilflich, auch in Ihrer Gegend Dialoggruppen aufzubauen.
PS: Wir ketten unsere Esel nicht aneinander… Zu den Eselsbegegnungen geht es hier.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens hat Philosophen, Denker und Menschen seit jeher beschäftigt. Es ist ein Thema von grundlegender Bedeutung, das uns dazu anregt, über unsere Existenz, unsere Ziele und unsere Rolle in der Welt nachzudenken. In diesem Dialog werden wir uns mit verschiedenen philosophischen Ansätzen und Perspektiven auseinandersetzen, um dem rätselhaften Konzept vom Sinn des Lebens näherzukommen.
Hier sind einige der bekanntesten:
Religiöse und spirituelle Bedeutung:
In vielen religiösen und spirituellen Traditionen wird der Sinn des Lebens mit der Existenz einer höheren Macht, einem göttlichen Plan oder einer transzendenten Realität verbunden. Der Zweck des Lebens kann darin bestehen, eine Beziehung zu Gott herzustellen, spirituelles Wachstum zu erreichen oder eine bestimmte Lebensaufgabe zu erfüllen.
Existentialistische Perspektive:
Existenzialisten wie Jean-Paul Sartre und Albert Camus betonen die individuelle Verantwortung und Freiheit bei der Suche nach dem Sinn des Lebens. Sie argumentieren, dass der Mensch in einer scheinbar absurd wirkenden Welt seine eigene Bedeutung schaffen und sich trotz der grundlegenden Unsicherheit und Endlichkeit des Lebens engagieren kann.
Hedonismus und Genuss:
Einige philosophische Ansätze betonen die Bedeutung von Vergnügen, Glückseligkeit und der Maximierung des persönlichen Wohlbefindens als Sinn des Lebens. Hedonistische Perspektiven argumentieren, dass das Streben nach Lust und Vermeidung von Leid das zentrale Ziel sein sollte.
Beitrag und Bedeutung:
Der Sinn des Lebens kann auch in der Idee liegen, einen positiven Beitrag zur Welt zu leisten oder Bedeutung durch Handlungen, Beziehungen oder kreative Werke zu schaffen. Dieser Ansatz betont das Streben nach einem erfüllten Leben durch Selbstverwirklichung und positive Auswirkungen auf andere Menschen oder die Gesellschaft als Ganzes.
Transzendentale Erfahrungen:
Einige Philosophen und spirituelle Traditionen argumentieren, dass der Sinn des Lebens in transzendentalen Erfahrungen liegt, die über das Alltägliche hinausgehen. Dies könnte durch Meditation, mystische Erfahrungen oder den Zugang zu einem erweiterten Bewusstseinszustand erreicht werden.
Beziehungen und Verbundenheit:
Martin Buber, einer der Väter des Dialogs, betonte die Bedeutung von Beziehungen und Dialog als wesentlich für den Sinn des Lebens. Der Fokus liegt auf authentischen zwischenmenschlichen Verbindungen, die es uns ermöglichen, uns selbst zu verwirklichen und eine tiefere Verbindung zur Welt um uns herum aufzubauen.
Die Frage nach dem Sinn ist komplex und individuell. Es gibt keine einheitliche Antwort, sondern vielmehr eine Vielzahl von Ansätzen und Perspektiven. Indem wir uns mit verschiedenen philosophischen Ideen auseinandersetzen, können wir unsere eigenen Gedanken über den Sinn des Lebens schärfen und uns auf eine persönliche Reise der Selbstreflexion begeben. Letztendlich liegt es in unserer Hand, dem Leben einen Sinn zu geben und nach Erfüllung und Bedeutung zu streben.
Fragen für den Dialog:
Was gibt meinem Leben Sinn? Wofür lohnt es sich zu leben?
Welche Ereignisse und Herausforderungen im Laufe des Lebens haben mich besonders geprägt? Wann hatte ich ganz stark das Gefühl, dass mein Leben einen Sinn hat? Wann habe ich gezweifelt?
Was hält mich davon ab, das zu leben, was für mich wichtig ist? Was könnte ich tun, um meinem Leben mehr Sinn zu verleihen?
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Die Konstruktion von „Wirklichkeit“ ist ein erkenntnistheoretisches Thema, das sich mit der Natur der Realität und der Art und Weise beschäftigt, wie wir sie wahrnehmen, verstehen und interpretieren.
In den verschiedenen philosophischen Schulen und Strömungen gibt es unterschiedliche Ansätze zur Konstruktion von Wirklichkeit. Einige betonen die Existenz einer objektiven Realität, die unabhängig von unserer Wahrnehmung existiert. Demgemäß gibt es eine externe Welt, die unabhängig von unserem Bewusstsein existiert und deren Eigenschaften und Gesetze wir durch wissenschaftliche Methoden erforschen können.
Andere Ansätze argumentieren, dass die Wirklichkeit eine Konstruktion des menschlichen Geistes ist. Sie betonen die Rolle der Wahrnehmung, der Sprache, der sozialen Interaktionen und der kulturellen Einflüsse bei der Konstruktion unserer Erfahrungen und unseres Verständnisses von Realität. Demnach ist unsere Wahrnehmung der Welt subjektiv und kontextabhängig, und es gibt keine absolute oder objektive Realität, die unabhängig von unserem Bewusstsein existiert.
Aus psychologischer Sicht beschäftigt sich die Konstruktion von Wirklichkeit damit, wie Menschen Informationen verarbeiten, interpretieren und ihnen eine Bedeutung zuschreiben, um ihre eigene subjektive Realität zu erschaffen. Psychologen untersuchen die kognitiven, emotionalen und sozialen Prozesse, die an der Konstruktion von Wirklichkeit beteiligt sind.
Die Wirklichkeit, die Wirklichkeit trägt wirklich ein
Forellenkleid und dreht sich stumm –
Und dreht sich stumm nach anderen Wirklichkeiten um!
André Heller: Die wahren Abenteuer sind im Kopf
Hier sind einige wichtige Konzepte und Ansätze aus der psychologischen Perspektive:
Wahrnehmung
Die Art und Weise, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen, beeinflusst unsere Konstruktion der Realität. Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess, bei dem Informationen aus der Umgebung durch unsere Sinne aufgenommen und interpretiert werden.
Experiment:
Im untenstehenden kurzen Video sehen Sie zwei Basketballmannschaften. Die eine ist weiß gekleidet, die andere schwarz. Zählen Sie mit, wie viele Ballwechsel die Mannschaft in Weiß macht.
Was Sie in dem Video gesehen haben, ist ein Beispiel für selektive Aufmerksamkeitsfokussierung. Sie bezieht sich auf unsere Fähigkeit, aus einer Vielzahl von Informationen bestimmte Aspekte auszuwählen. Das ist wichtig, um relevante Informationen zu erkennen und ablenkende auszublenden. So können wir unsere Ressourcen effizient einsetzen und uns auf das Wesentliche konzentrieren.
Beeinflusst wird unsere Wahrnehmung durch verschiedene Faktoren:
Aufgabenrelevanz
Wenn eine bestimmte Information oder ein bestimmter Reiz für die aktuelle Aufgabe oder das Ziel von Bedeutung ist, besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass unsere Aufmerksamkeit darauf gerichtet wird.
Erwartungen und Interessen
Persönliche Interessen, Vorlieben oder Erwartungen können dazu führen, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte richten und andere vernachlässigen. Wir tendieren dazu, nach Informationen zu suchen, die unseren vorhandenen Überzeugungen oder Interessen entsprechen.
Emotionale Bedeutung
Emotionale Stimuli haben oft eine stärkere Anziehungskraft und können unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Positive emotionale, aber auch bedrohliche Reize, Angst, Wut, Ekel haben beispielsweise eine größere Wahrscheinlichkeit, unsere Aufmerksamkeit zu erfassen.
Salienz
Saliente Reize oder Stimuli, die sich von ihrer Umgebung abheben, werden tendenziell bevorzugt beachtet. Dies kann aufgrund ihrer Helligkeit, Lautstärke, Bewegung oder anderen auffälligen Merkmalen geschehen.
Wahrnehmung erfolgt nicht immer bewusst und willentlich, sondern automatisch und unbewusst aufgrund von gewohnten Denkmustern oder bestimmten kognitiven Mechanismen.
Kognitive Schemata
Kognitive Schemata sind mentale Strukturen oder Muster, die unser Wissen, unsere Erfahrungen und Erwartungen über die Welt repräsentieren. Sie dienen als Rahmen für die Interpretation neuer Informationen. Unsere Schemata beeinflussen, wie wir Ereignisse verstehen und welche Bedeutung wir ihnen zuschreiben.
Experiment:
Denken Sie an ein bestimmtes Thema oder eine Kategorie (z. B. "Hund" oder "Glück" oder auch solche, die besonders kontroverse Gedanken hervorrufen wie "Russland" oder "CO₂"). Schreiben Sie dann alle Assoziationen, Informationen oder Merkmale auf, die Ihnen zu diesem Thema in den Sinn kommen. Laden Sie zwei, drei weitere Personen dazu ein, dieselbe Übung zu machen. Reflektieren Sie darüber, welche kognitiven Schemata Ihre Gedanken und Assoziationen beeinflusst haben könnten.
Kognitive Verzerrungen
Und er kommt zu dem Ergebnis:
Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil, so schließt er messerscharf,
nicht sein kann, was nicht sein darf.
"Die unmögliche Tatsache" von Christian Morgenstern
Menschen sind anfällig für verschiedene kognitive Verzerrungen, die ihre Wahrnehmung und Interpretation der Realität beeinflussen können. Beispiele für solche Verzerrungen sind Bestätigungsfehler (Tendenz, Informationen zu bevorzugen, die unsere bestehenden Überzeugungen bestätigen), selektive Aufmerksamkeit (Tendenz, auf bestimmte Informationen zu achten und andere zu ignorieren) und kognitive Dissonanz (Unbehagen aufgrund von Inkonsistenzen zwischen unseren Überzeugungen und unserem Verhalten).
Ein berühmtes Beispiel für kognitive Verzerrungen ist die Geschichte, die sich in den 50er Jahren in Seattle zutrug. Damals entdeckten immer mehr Autofahrer kleine Kratzer auf der Windschutzscheibe. Je mehr Berichte darüber kursierten, desto mehr Menschen bemerkten selbst solche Kratzer und den wildesten Spekulationen, woher diese stammten, wurden Tür und Tor geöffnet.
Waren die Kratzer eine Folge der russischen Atombombentests? Präsident Eisenhower entsandte Sachverständige. Nach einer Weile stellte sich heraus, dass man bei intensiver Betrachtung aus einem bestimmten Blickwinkel auf jeder gebrauchten Windschutzscheibe solche Kratzer entdecken kann. Es gab damals überhaupt keine nennenswerte Zunahme an zerkratzten Windschutzscheiben. Das Einzige, was tatsächlich zugenommen hatte, war die Aufmerksamkeit, die die Leute der Beschaffenheit ihrer Windschutzscheiben zuteilwerden ließen.
Besonders ausgeprägt sind diese Wahrnehmungsverzerrungen, wenn die angeblichen Tatsachen aus glaubhaften Quellen vorgegeben werden, wie etwa zu Beginn der Corona-Krise, als die Fotolegende von Bergamo geschaffen wurde.
Ein weiteres Beispiel ist ein Experiment aus den 70er Jahren, zu dem Psychologen eingeladen wurden, die einen vermeintlichen Patienten behandeln sollten, der angeblich an der Wahnvorstellung litt, Psychologe zu sein. Es gab in der Versuchsanordnung aber keinen Patienten, sondern nur die beiden Psychologen, die sich gegenseitig für wahnsinnig hielten. Je eindringlicher jeder dem anderen klarzumachen versuchte, Psychologe zu sein, desto mehr bestätigte dies die verzerrte Wirklichkeit, wonach es sich bei diesem Versuch um ein Symptom der Wahnvorstellung des jeweils anderen handele.
Unsere Wahrnehmung kann also stark variieren und ist daher auch leicht manipulierbar.
Kognitive Dissonanz ist ein psychologisches Konzept, das den Zustand der Unbehaglichkeit beschreibt, der entsteht, wenn eine Person mit zwei oder mehreren widersprüchlichen Überzeugungen konfrontiert ist. Diese Unstimmigkeit erzeugt ein Spannungsgefühl, das uns motiviert, diese Dissonanz zu reduzieren oder bestenfalls zu beseitigen.
Ein klassisches Beispiel:
Angenommen, jemand ist der festen Überzeugung, dass regelmäßige körperliche Bewegung und ein gesunder Lebensstil wichtig für eine gute Gesundheit sind. Diese Person weiß jedoch auch, dass sie selbst einen eher inaktiven Lebensstil führt und sich selten sportlich betätigt. Diese Diskrepanz zwischen der Überzeugung von einem gesunden Lebensstil und dem eigenen Verhalten erzeugt kognitive Dissonanz.
Um die kognitive Dissonanz zu reduzieren, stehen nun mehrere Optionen zur Verfügung:
Veränderung des Verhaltens:
Die Person könnte beschließen, ihr Verhalten zu ändern und regelmäßig körperlich aktiv zu werden. Durch die Anpassung des Verhaltens an die Überzeugungen würde die Diskrepanz reduziert werden.
Umdeutung der Überzeugungen:
Die Person könnte versuchen, ihre Überzeugungen neu zu interpretieren oder rationalisieren. Zum Beispiel könnte sie denken, dass andere Aspekte ihres Lebensstils, wie eine gesunde Ernährung oder der Verzicht auf Rauchen, ausreichend sind, um eine gute Gesundheit zu gewährleisten.
Reduktion der Bedeutung:
Die Person könnte die Bedeutung der Diskrepanz herunterspielen und sich sagen, dass gelegentliche Inaktivität keinen großen Einfluss auf die Gesundheit hat oder dass sie andere positive Eigenschaften hat, die die Inaktivität ausgleichen.
Ambiguitätstoleranz:
Ambiguitätstoleranz ist die Fähigkeit, Mehrdeutigkeit zu akzeptieren oder Zweifel auszuhalten. Wer Zweifel schwer ertragen kann, trifft eher vorschnelle (Fehl-)Entscheidungen und ist schneller geneigt, einer Führerfigur zu folgen oder gar nichts mehr zu glauben. Sie ist eine der Kernkompetenzen des Dialogs.
Experiment:
Denken Sie an eine Situation, in der Sie eine feste Überzeugung hatten. Fragen Sie sich dann, ob Sie nach Beweisen oder Informationen gesucht haben, die Ihre Überzeugung bestätigen, anstatt in ausgewogenem Maß auch konträre Beweise zu berücksichtigen um so zu einer möglichst objektiven Einschätzung zu kommen. Überlegen Sie, wie Sie in Zukunft mehr Aufmerksamkeit auf das Vorhandensein von kognitiven Verzerrungen lenken könnten.
Soziale Konstruktion von Wirklichkeit
Die soziale Interaktion und Kommunikation spielen eine wichtige Rolle bei der Konstruktion von Wirklichkeit. Durch den Austausch von Informationen, Sprache und kulturellen Normen innerhalb einer Gemeinschaft werden gemeinsame Bedeutungen und Konzepte entwickelt. Die soziale Konstruktion von Wirklichkeit besagt, dass unsere Realität durch die Interaktion mit anderen Menschen und der Gesellschaft geformt wird.
Experiment:
Nehmen Sie an einer Gruppendiskussion teil oder beobachten Sie eine Gruppendiskussion zu einem kontroversen Thema. Achten Sie darauf, wie verschiedene Standpunkte und Meinungen ausgetauscht werden und wie diese den gemeinsamen Konsens und die Konstruktion von Wirklichkeit innerhalb der Gruppe beeinflussen können.
Nehmen Sie an einem Dialog teil oder organisieren Sie einen solchen in Ihrer Gegend. Beobachten Sie, wie eine ganz andere Qualität des Denkens (des Konstruierens von Wirklichkeit) mit dieser Methode entsteht.
Persönliche Erfahrungen und Geschichte
Unsere individuellen Lebenserfahrungen, traumatische Ereignisse, Kultur, Erziehung und andere persönliche Faktoren beeinflussen ebenfalls die Art und Weise, wie wir die Welt verstehen und unsere Realität konstruieren. Verschiedene Menschen können daher unterschiedliche Versionen der Realität haben, basierend auf ihren einzigartigen Lebensgeschichten und Perspektiven (siehe Projekt „Zeitzeugen berichten“).
Experiment:
Nehmen Sie sich Zeit, um Ihre eigene Lebensgeschichte zu reflektieren. Schreiben Sie die wichtigsten Erfahrungen, Ereignisse und Beziehungen auf, die Ihre Sichtweise auf die Welt geprägt haben. Überlegen Sie, wie diese persönlichen Faktoren dazu beigetragen haben könnten, Ihre individuelle Konstruktion von Wirklichkeit zu formen.
Diese psychologischen Konzepte verdeutlichen, dass die Wirklichkeit nicht einfach objektiv existiert, sondern dass sie durch die individuelle Wahrnehmung, kognitive Prozesse, soziale Einflüsse und persönliche Erfahrungen konstruiert wird.
Während unsere Aufmerksamkeit (etwa auf den Ballwechsel der Basketballmannschaft in Weiß) gelenkt wird, verlieren wir gelegentlich den Blick fürs Ganze und übersehen das Offensichtliche. Was aber kann man tun gegen diese Einengung des Blickfelds?
Erweitern Sie Ihre Perspektive, stellen Sie Fragen, recherchieren Sie, zweifeln Sie, treten Sie in den Dialog mit möglichst unterschiedlichen Menschen!
Die obigen Übungen können dabei helfen, die Konstruktion von Wirklichkeit besser zu verstehen und im eigenen Leben anzuwenden. Es handelt sich dabei um kontinuierliche Prozesse, bei denen man durch bewusstes Beobachten und Reflektieren eine größere Sensibilität für deine eigene Konstruktion von Wirklichkeit entwickeln kann. Und damit bessere Entscheidungen treffen kann.
Wer den langen Weg der Solidarität bis heute verfolgt, kann sich ob der widersprüchlichen Verwendung während der Coronakrise nur verblüfft zeigen. Der kämpferische Begriff der Arbeiterbewegung ist ins Zentrum staatlicher Krisenpolitik verschoben worden und mit ihm die Zahl der positiv Getesteten als Maßzahl solidarischen Handelns.
Verband man früher Solidarität mit dem Drang zur Umgestaltung untragbarer Zustände, mutierte sie in Coronazeiten zum Abbild des staatsbürgerlichen Gehorsams in Form von Befolgen der von der Exekutive auferlegten Regeln. Der achtsame Nachbar von nebenan, der die Einhaltung dieser Regeln überwachte, konnte sich so als Vorbild gesellschaftlicher Solidarität profilieren. Das zur Bewältigung der Pandemie notwendige Social Distancing erstickte den Samen solidarischen Handelns im Keim: das Zusammenkommen und sich Austauschen.
Die Aufforderung mancher Virologen, jeden Mitmenschen a priori als potenziellen Virenträger und damit als Bedrohung anzusehen, kann in der ihr eigenen Logik durchaus vernünftig scheinen. Doch steht ein solcher Entwurf einer Gesellschaft im krassen und unüberbrückbaren Gegensatz zu dem, was bislang als Solidarität galt.
Die allgegenwärtige Forderung nach Solidarität gibt Auskunft darüber, wer denn eigentlich in hohem Maße geschützt werden soll, und wessen Leid hingegen keiner Erwähnung bedarf. Und das sind – wie schon vor der Coronakrise – die sozial Schwächsten: Alleinerziehende Eltern, Migranten, Obdachlose, alte Menschen – mit geringer Rente oder gar pflegebedürftig.
Was ist sie nun, diese Solidarität? Ist sie schon da, wenn wir als Steuerzahler den Solidarbeitrag leisten oder Klimaproteste auf Twitter liken? Bin ich unsolidarisch, wenn ich an einem Bettler vorübergehe und solidarisch, wenn ich für „Brot für die Welt“ spende? Denke ich unsolidarisch, wenn ich mich als finanziell erheblich belasteter junger Berufstätiger ärgere, in eine Pensionskasse einzuzahlen, die mir selbst möglicherweise nie zugutekommen wird? Bin ich solidarisch auf Kosten anderer, wenn ich für ein bedingungsloses Grundeinkommen eintrete?
Oder müssen wir an die persönliche Komfortzone heran? Gleich heute, wenn wir beschließen das Auto stehenzulassen, dann aber bemerken, dass man mit den Öffis nicht rechtzeitig zur Arbeit kommt. Oder wenn die Kinder meckern, dass es statt der Banane heute schon etwas mehlige Äpfel zum Pausenbrot gibt? Der Blick in den Kleiderschrank lässt gleich wieder die Stirn runzeln: Ist das alles umweltverträglich und menschenwürdig hergestellt worden? Und brauche ich das wirklich alles? Zumindest bietet sich die Pause dazu an, mit den Arbeitskollegen zu diskutieren, weshalb es gescheiter wäre Fair Trade Kaffee zu trinken. Mit dem Chef über ein Vier-Stunden-Arbeitsmodell zu reden, wäre wohl noch zu früh und möglicherweise jobgefährdend. Aber wenigstens könnte man den geplanten Urlaub in Mallorca gegen die Ostsee tauschen. Die Bahnfahrt wäre zwar teurer, aber die Klimabilanz vermutlich besser …
Diese Beispiele lassen erahnen, dass Solidarität nicht nur der Überbegriff für Freundlichkeit, Mitgefühl und sozialstaatliche Folgebereitschaft sein kann. Sie berührt unser Verständnis von Zugehörigkeit, die Bereitschaft, sich den Nöten der Mitmenschen zu stellen und das Gefühl der Verantwortung und Fürsorge für das Ganze. Wer nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, die anderen ihrem Schicksal überlässt, wem die Gemeinschaft und unser Planet gleichgültig ist, der pfeift auf Solidarität.
Katastrophen und Krisen können das Beste im Menschen zum Vorschein bringen, so Rebecca Solnit in ihrem Buch „A paradise built in hell“. Der natürliche Zustand, zu dem wir zurückgreifen, wenn die gewohnten Strukturen nicht mehr tragen, ist nicht jeder gegen jeden. Zahlreiche Belege dafür findet sie in den Katastrophen der letzten hundert Jahre: Erdbeben, Wirbelstürme, Bombenangriffe, Terroranschläge oder auch die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl.
In Katastrophen brechen Hierarchien auf. Verwaltung und Institutionen wirken nicht mehr. Es entsteht aber eine Selbstorganisation, um Chaos zu verhindern. Es werden Suppenküchen gebaut, Notunterkünfte errichtet, Kinder betreut. Dabei verhält sich die Mehrzahl der Menschen ruhig, einfallsreich und ganz und gar nicht egoistisch.
Das ist aber nur ein Blickwinkel. Es gibt durchaus auch Beispiele dafür, dass eine Bedrohung von außen die Bevölkerung dazu bringen kann, nach Sündenböcken zu suchen: Etwa, als die Juden bezichtigt wurden, für die Pest verantwortlich zu sein. Es gibt allerdings auch Hinweise, dass Krisen dann zu Diskriminierung führen, wenn die Politik dies beabsichtigt. Während die Schuld Außenstehenden in die Schuhe geschoben wird, können die wirklich Verantwortlichen ungeschoren davon kommen.
Krisen, die uns wie aus dem Nichts treffen, erinnern uns daran, dass wir alle im selben Boot sitzen. Die Verdrängungsmechanismen, die uns im Alltag das Elend rund um uns herum ertragen lassen, brechen weg und wir identifizieren uns mit den Betroffenen. Wir spüren die menschliche Verwundbarkeit und unser Verantwortungsgefühl aktiviert die Solidarität.
Die Frage, die sich stellt: Kann diese Solidarität Bestand haben, wenn die Krise vorbei ist?
In den westlichen Gesellschaften haben wir uns über lange Zeit das Recht erworben, uns selbst zu definieren. Freiheit bedeutet aber auch die gar nicht leichte Aufgabe, zu bestimmen, welche Rolle man in dieser Welt einnehmen möchte. Aber wie wir es auch drehen und wenden, wir sind abhängig voneinander. Unsere Freiheit hängt untrennbar von der Freiheit der anderen ab. Und spätestens wenn ein bedrohlicher Virus erscheint, ist es entscheidend, darauf vertrauen zu können, dass jeder tut, was er kann inklusive der dafür beauftragten Institutionen.
Hat es die Corona-Krise gebraucht, um das zu erkennen? Das wäre ein gefährlicher Trugschluss. Die positive Folge könnte aber sein, dass wir uns der Werkzeuge besinnen, mittels derer wir eine freie, sichere Gesellschaft aufbauen können, die der solidarischen Natur des Menschen entspricht.
Der Schlüssel dazu, der alle Türen öffnet, ist der Dialog.
Literatur:
Bude, H.: Solidarität. Die Zukunft einer großen Idee. München, 2019.
I.L.A. Kollektiv: Das gute Leben für Alle. Wege in die solidarische Lebensweise. München, 2019.
Harsvik, W. & Skjerve, I.: Homo Solidaricus. Der Mensch ist besser als sein Ruf. Berlin, 2021.
Solnit, R.: A paradise built in hell. New York, 2009.
Süss, D. & Torp, C.: Solidarität. Vom 19. Jahrhundert bis zur Corona-Krise. Bonn, 2021.
wer keine Fachbücher mag, dem sei folgender Roman empfohlen: Ironmonger, J.: Der Wal und das Ende der Welt. Frankfurt, 2020.
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„Give Peace a Chance“ von John Lennon und Yoko Ono ist die Friedenshymne für Generationen von Pazifisten auf der ganzen Welt und hat auch nach 50 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt. So sehr der Song durch seine Einfachheit besticht, so außergewöhnlich ist seine Entstehungsgeschichte. Anstatt sinnlosen Blablas forderte das Künstlerpaar gewaltfreie, positive Friedensaktivitäten und leitete damit eine dramatische Wende ein.
Dieser Text wurde für die Friedensnoten verfasst und bei Rubikon und Radio München erschienen:
Während ihrer Flitterwochen im März 1969 veranstalteten John Lennon und Yoko Ono ein Bed-In im Queen Elizabeth Hotel in Montreal. Zu dieser Zeit saßen die beiden nebeneinander im Bett, empfingen Gäste, gaben Interviews und nahmen den Song Give Peace a Chance auf.
Sie begründeten die Aktion damit, dass Demonstrationen die Öffentlichkeit zunehmend gleichgültig ließen und man die Menschen über ein Bed-In auf anderem Wege auf Probleme aufmerksam machen könne.
Der Song besteht aus vier Strophen im Marschrhythmus mit einem sich wiederholenden Text, der an das Rezitieren von Mantras erinnert, sowie dem prägnanten Refrain „All we are saying is give peace a chance“.
Die mehr oder weniger willkürlich zusammengestellten, teils frei erfundenen Begriffe deuten auf das sinnlose Blabla hin, das die Friedensbewegung zu dieser Zeit führte: „Bagism, Shagism, Dragism, Madism, Ragism, Tagism“, und die mit „This-ism, that-ism, ism ism ism“ zusammenfasst werden.
Im Gegensatz zu den damals vorherrschenden endlosen Diskussionen innerhalb der Friedensbewegung forderte John Lennon Zusammenhalt, mit der wesentlichen Forderung, dem Frieden eine Chance zu geben. Diese Veränderung der Konzentration auf gewaltfreie, positive Friedensaktivitäten ist die dramatische Wende unter den Aktivisten, die zu dieser Zeit stattfand.
Am 4. März 2022 um 08:45 Uhr strahlten 150 öffentliche europäische Radiosender dieses Lied für den Frieden und gegen die russische Invasion in der Ukraine 2022 aus.
Was ist aus diesem Ruf nach Frieden geworden? Weshalb kehrt die Politik immer wieder zurück zu der irrigen Annahme, Frieden könne durch Krieg und Waffenlieferungen herbeigeführt werden?
Konflikte sind nicht grundsätzlich schlecht. Interessensgegensätze können Ausgangspunkt für einen konstruktiven sozialen Wandel sein, und viele demokratische Errungenschaften wurden auf diesem Wege erreicht.
Positiver Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von offensichtlicher Gewalt, sondern auch das Vorhandensein von sozialer Gerechtigkeit.
Dazu braucht es Empathie, Respekt, Toleranz und Solidarität gegenüber allen Menschen sowie den Mut, das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen. Allesamt Fähigkeiten, die nicht nur der Schlüssel zum Frieden auf dem aktuellen Kriegsschauplatz wären, sondern die uns auch in den letzten drei Jahren, die voll von Aggression, Schuldzuweisungen, Angst und Bedrohung waren, behütet hätten und uns menschlich hätten wachsen lassen können.
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Erdig kühl ist das weiche Gras unter der alten Linde. Die Zweige hängen tief ob der Last der betörend duftenden Blütentrauben. Unzählige Bienen sammeln eifrig den süßen Nektar des Hochsommers. Sanft wiegen sich die herzförmigen Blätter im lauen Wind. Das Licht der hochstehenden Mittagssonne zaubert ein Potpourri in Grün ins raschelnde Laub.
Lächelnd denke ich an die Biologiestunden der Kindheit über die Bedeutung des Baumes als grünes Kraftwerk und atme tief den vermeintlichen Sauerstoff ein. Ein Bussard gleitet federleicht im Aufwind dahin, zieht seine Kreise, mit scharfem Blick auf das frisch gemähte Feld in der Hoffnung auf sättigende Beute. Ob ihm wohl die geduldig unter dem Zwetschgenbaum lauernde Katze zuvor kommen wird?
Der Horizont verschwimmt zwischen dem Blau des Himmels und dem Ende des Sees. Kinderlachen weht aus der Ferne heran, fröhliche Unbeschwertheit. Die Libellen tanzen über dem Seerosenteich.
Die Gedanken schweifen ab zu den Sommern meiner Kindheit: Planschen auf den Sandsteinfelsen der Bregenzer Ach, der Duft des Heidelbeerkuchens aus dem Backofen, barfuß laufen im Sommerregen.
Aus Erinnerungen werden Erzählungen: Über das sommerliche Leben meiner Großeltern, mit langen Arbeitstagen, um Heu und Getreide einzubringen, wilde Beeren zu sammeln, Vorräte für den Winter anzulegen und – zu feiern.
Der längste Tag und die kürzeste Nacht des Jahres, der Tag der Sommersonnenwende gilt seit jeher als magisch. Die Mittsommernacht wird vielerorts mit Freudenfeuern begangen, die das Böse abwehren, vor Krankheiten schützen und fruchtbaren Segen für die Äcker spenden sollen. Haus und Ställe werden ausgeräuchert, Johanniskraut und andere Heilkräuter zu Sonnwendbuschen gebunden, Festtagskrapfen gebacken. Man nimmt Abstand vom Alltag, feiert die Fülle des Sommers und nährt die Hoffnung.
Weshalb sind diese uralten Rituale auch heute noch präsent? Früher war die Sonne entscheidend für das Leben und Überleben. Die Zeit der Sommersonnenwende war die leichteste Zeit des Jahres, mit ausreichend Licht, Wärme und Nahrung. Zwar sind wir heute in den Industrieländern durch das elektrische Licht weniger abhängig vom Rhythmus der Sonne, doch beeinflusst uns der Wechsel von hell und dunkel mehr als es auf den ersten Blick erkenntlich ist.
Neurobiologische Grundlagen
Der zirkadiane Rhythmus hilft, sich an den Tag-Nacht-Zyklus der Umwelt anzupassen. Macht man sich vom Sonnenlicht unabhängig, wird die innere Uhr gestört, was sich beispielsweise als Jetlag äußert.
Den natürlichen Rhythmus zu stören, birgt zudem gesundheitliche Risiken: beeinträchtigte Muskel- und Knochenfunktionen, erhöhte Entzündungsneigung, schlechtere Schlafqualität, ein höheres Körpergewicht und häufigere Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Psychische Auswirkungen
Der Zusammenhang von Sonne und Wohlbefinden ist uns ganz intuitiv klar: So zieht es uns im Urlaub bevorzugt in den Süden und auch der Alterswohnsitz wird eher dort als im Norden gewählt.
Forscher beobachteten, dass man an sonnigen Tagen die allgemeine Lebenszufriedenheit höher einschätzt. Möglicherweise kommt diese positivere Bewertung durch die bessere Stimmung zustande. Außerdem haben wir die Tendenz, bei guter Stimmung vermehrt positive Dinge wahrzunehmen. Im psychiatrischen Bereich kennen wir die stimmungsaufhellende Wirkung der Lichttherapie bei jahreszeitlich abhängigen affektiven Störungen.
Auswirkungen auf das Verhalten
Neben der Stimmung beeinflusst das Sonnenlicht auch unser Verhalten: Bei Sonnenschein gibt man mehr Trinkgeld. Bei Regen gibt es mehr negative Beiträge in den sozialen Medien. Die Suchanfragen nach sonnigen Urlaubsdomizilen steigt. Kinder im Volksschulalter malen auf fröhliche Bilder oft eine Sonne.
Auch wenn für viele die Sommersonnenwende keine große Bedeutung mehr hat, der Einfluss der Sonne ist immer noch gravierend. Man denke beispielsweise an die unterschiedliche Freizeitgestaltung zwischen Sommer und Winter. Auch die Wirtschaft ist sonnenabhängig: Nicht nur das Kaufverhalten von saisonalen Produkten ändert sich, sondern auch der Aktienkauf scheint wetterabhängig zu sein. Die Gesundheit wird durch den Sonnenmangel beeinflusst, der sich in einer miserablen Versorgung von Vitamin D bei einem Großteil der Bevölkerung und deren Folgeerscheinungen ausdrückt. Durch künstliches Licht und Termindruck leiden viele unter chronischer Übermüdung. Haben Sie am Wochenende das Bedürfnis, endlich ausschlafen zu können? Dann leiden Sie möglicherweise unter der Woche unter Schlafmangel. Womit sich wieder der Kreis zur Wirtschaft schließt, die gesündere, zufriedenere und leistungsfähigere Mitarbeiter hätte, wenn sie bei der Arbeitsgestaltung die Sonnenrhythmen beachten würde.
Alles in allem bietet ein Fest zur Sommersonnenwende die Gelegenheit, ein ganz besonderes Naturereignis zu feiern, sei es um etwas Magie im Alltag zu erleben, aus Glauben oder Aberglauben oder um die sozialen Bande mit Freunden zu stärken.
Literatur:
Frey, D.: Psychologie der Rituale und Bräuche. Springer Verlag, München 2018.